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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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sie die ganze Zeit
Bescheid gewusst hatte. Falls ja, wäre das die Erklärung. Und falls nein, tja,
ich hatte so das Gefühl, sie würde sich freuen, dass ich es ihr erzählt hatte,
dass sie an diesem neuen Al genauso Gefallen finden würde wie ich an der neuen
Audrey. Was bei uns zählte, war das Fleischliche, nicht im sexuellen Sinn,
sondern im Sinn von Blut und Schweiß, Muskeln und Mund. Wir hatten keine Zeit
für irgendwelchen romantischen Liebesquatsch. Wir brauchten was Handfestes,
Solides, das Fleisch und die Kartoffeln. Sex war bloß das Salz und der Pfeffer.
Ich hatte reichlich Salz und Pfeffer gehabt, aber auf Fertiggerichte gestreut,
auf Burger und Pizzen und Tütensuppen. Für Fleisch und Kartoffeln gab es keine
Bessere als Audrey. Keine.
    Als ich in der Nacht nach Hause kam, fühlte ich mich
richtig gestärkt. Eine Stunde und vierzig Minuten hatte ich gebraucht, der
Bungalow war in Dunkel gehüllt, bis auf das blaue Licht im Gästezimmer. Von mir
aus. Ein bisschen Abstand tat uns beiden ganz gut. Ehe ich ins Bett ging,
schrieb ich ihr einen Zettel und legte ihn auf den Küchentisch.
     
    »Wenn wir uns vorher nicht mehr sehen, sag Tina, wir
kaufen uns einen neuen Mercedes fürs Geschäft und ich fahre mit Dir diesen
Winter den Nil runter. Zwei Wochen. Sie wird sich ein Loch in den Bauch ärgern,
noch dazu auf dem Golfplatz, wie passend.
    PS: Du warst ganz schön hart gestern Abend. Hat mir gefallen.
Hat mir sehr gefallen.«
     
    Kim lud den letzten Eimer mit Ködern ein, und wir ruderten
zu seinem Fischerboot raus. Es war ein enges, übelriechendes kleines Schiff,
gewehrkugelförmig wie sein Besitzer. Diesmal sprang es ohne Probleme an. Und
so tuckerten wir los, zur Bucht hinaus und aufs offene Meer. An einem schönen
Tag sieht das Meer in der Bucht und außerhalb davon gleich aus, aber es ist
nicht gleich. Das sagt einem der Wind, der Geschmack auf den Lippen, und auch
die Farbe des Wassers. Es ist so viel größer als du, so viel größer als alles
andere, es ist das Größte, was es auf diesem Planeten überhaupt gibt. Und das
weiß es.
    Ich will ganz ehrlich sein. Ich mag das Meer nicht. Es anschauen,
die Zehen hineintauchen, sogar Leute von einer Klippe hineinstoßen, das krieg
ich geregelt, doch Abermillionen Kubikmeter davon unter mir zu haben, darauf
kann ich verzichten, selbst wenn es so flach ist wie ein Mühlteich. Genau
genommen ist ein Meer gerade dann besonders beängstigend, wenn es flach wie
ein Mühlteich ist. Wie in dem Märchen, das meine Mum mir immer vorlas, vom Däumling
und vom Riesen, der in seinen Siebenmeilenstiefeln im Bett lag, den Geruch von
Menschenfleisch in der Nase, wie mein Dad, wenn er in seinem Sessel eingepennt
war und wir beide warteten, dass er aufwachte, Ruhe und Frieden auf der
Oberfläche, darunter das heilige Chaos. Beim Meer ist es genauso. Ich warte
immer darauf, dass es aufwacht, mich grün und blau prügelt. Trotzdem, wenn du
auf ihm sein musst, wenn du von ihm leben musst, dann ist der Hummerfang eine
der leichtesten Möglichkeiten. Es ist eine simple Angelegenheit. Körbe hoch,
Fang raus, neuer Köder rein und wieder runter mit den Körben. Die frisch
gefangenen Hummer sehen noch gut aus, irgendwie hübsch in dem metallischen
Blau, dem schimmernden Glanz. Auch wie sie gehen, wie ihre Fühler zucken, als
könnten sie Dinge hören und sehen, die uns entgehen, als hätten sie eine
Intelligenz, von der wir keine Ahnung haben. Blödsinn, ich weiß, aber das
Gefühl hab ich einfach jedes Mal, wenn ich sehe, wie sie aus der Tiefe
hochgezogen werden, triefend von dem, was sie zurückgelassen haben. Ich habe
mal einen Film über sie gesehen, wie sie hintereinander in einer Reihe über den
Meeresgrund marschiert sind, Fühler an Schwanz, als hätten sie ein Ziel, eine
Mission, einen Plan. Wie der alte Bursche auf der Marmorplatte. Der wusste, dass er
zurück ins Meer gebracht werden würde, da bin ich mir sicher. Er hat bloß
darauf gewartet, dass Mrs Schnüffelnase und ich auftauchen. Das Meer ist voll
mit solchen Sachen, beunruhigenden, unerklärlichen Sachen, dunkel und
verborgen. Und wir haben keine Ahnung.
    Wir schaukelten dahin, ich half Kim, die Fangkörbe an Deck
zu hieven und die Burschen rauszuholen. Die Sonne war aufgegangen, aber es war
noch kein bisschen Wärme in ihr, nur nacktes Licht und die Kühle der Nachtbrise
und das Wasser, kaum erwacht. Am Morgen ist es ein einsamer Ort, das Meer. Kim
hatte an drei Stellen Fangkörbe verteilt, alle gut eine

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