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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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halbe Meile vor den
Klippen, und die entfernteste lag fast unterhalb vom Kliff. Die Ausbeute der
ersten beiden war mager, was ein Jammer war, denn ich wollte ihn gutgelaunt.
Bei der dritten erreichten wir die Bojenmarkierungen und fingen an, die Körbe
einzuholen. Der Audrey-Felsen war direkt über uns. Schon vom Anblick wurde mir
schwindelig. Gott, wie tief die Frau gefallen war! Ich hatte gedacht, es wäre
in einer Sekunde vorbei gewesen, aber Menschenskind, das muss ihr wie Stunden
vorgekommen sein. Und das hatte ich Miranda angetan? Von hier aus gesehen, vom
bösen Ende, sah es ganz anders aus. Oben war es bloß eine Kante und dann
nichts. Hier unten war es alles, ein stürzender Körper, strampelnde Beine,
Laute, schreckliche Laute aus ihrer Lunge. Nicht mal Audrey hätte das verdient
gehabt. Mein Mund war schlagartig wie ausgetrocknet. Ich spürte mein Herz
schlagen, als wollte es eine Tür aufbrechen. Es war kein gutes Gefühl, hier zu
sein. Einen Moment lang dachte ich die verrücktesten Sachen, dass ich von den
Hummern hierhergebracht worden war, um noch einmal zu sehen, was passiert war,
nur diesmal würde ich es von hier unten aus sehen, würde sehen, wie Miranda von
der Klippe gestoßen wurde, würde hören, wie sie schrie und stürzte, tiefer und
tiefer, direkt vor mir, auf die Felsen prallte und dann im Meer landete. Meine
eigene Tochter. Hatte sie geschrien? Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwas
gehört zu haben. Sie hatte bestimmt geschrien, oder? Wer würde das nicht?
    Ich musste mich am Riemen reißen. Ich musste näher ran.
    »Audrey war vor zwei Wochen da oben«, begann ich so ruhig
ich konnte und zeigte nach oben. Ich dachte an den Gummistiefel.
    Er achtete nicht auf mich. Im ersten Korb waren drei
Hummer, alle von anständiger Größe. Wir kippten sie raus und fingen an, die
restlichen Körbe hochzuziehen. Jeder, den wir einholten, war besser als der
davor. Der Fang wurde doch noch ganz ordentlich.
    »Hat einen Hut verloren, ob du's glaubst oder nicht. Vielleicht
könnten wir mal näher ran, wenn wir fertig sind, nachsehen, ob er da noch
irgendwo liegt.«
    Er sah mich an.
    »Du spinnst wohl.«
    »Könnte doch sein, dass er irgendwo zwischen den Felsen
hängengeblieben ist. Sie hat den Hut heiß geliebt. Ich könnte jede Menge
Pluspunkte sammeln, wenn ich ihn fände. Bei Audrey kannst du nicht genug
Pluspunkte sammeln, wenn du weißt, was ich meine.«
    Er schlug die Augen zum Himmel und fing an, die Köder in
die Körbe zu stopfen, kleine Fleischstücke.
    »Was ist das? Hühnerreste?«
    »Ein altes Schwein von Alan Sparrow. Ist an irgendwas
Ekeligem gestorben.«
    Wir warfen die Körbe über Bord und sahen zu, wie sie
sanken. Wenn ich doch nur mit ihnen hätte nach unten tauchen können, um
nachzusehen, wer da auf dem Grund des Meeres lag. Die Hummer, die wir gefangen
hatten, wussten es bestimmt. Vielleicht waren sie über sie drüberspaziert,
hatten ihr winzige Stückchen aus Beinen und Gesicht genagt. Waren in ihren
gelben Regenmantel gekrochen. Ich schauderte. Der Gedanke war fürchterlich.
    »Willst du jetzt ein Stück näher ran? Nachsehen?«
    Wir tuckerten rüber. Wir konnten die Dünung des Meeres
spüren, das gegen die Klippe wogte. Der schlafende Riese, die Stiefel unterm
Tisch. Aber ich sah keine Spur von einem Körper oder dem Gummistiefel. Ich war
enttäuscht und erleichtert zugleich.
    »Können wir nicht noch ein Stück näher ran?«
    »Nicht mit diesem Boot, nee. Du kannst das Dingi nehmen,
wenn du willst.«
    Ich wollte nicht, aber ich hatte keine Wahl. Ich hielt es
nah am Boot, während ich reinkletterte. Ich hab das schon oft gemacht, aber in
einem Ruderboot aufrecht stehen ist jedes Mal das erste Mal. Wie der Versuch,
auf einem Pferd zu stehen, man muss dazu geboren sein, um es halbwegs hinzukriegen.
Kim war dazu geboren. Kim kann in einem Ruderboot stehen. Er kann sich
hinstellen und sich einen Pullover überziehen, in ihm auf und ab schlendern,
als wäre er an der Pier von Brighton. Er kann im Stehen rudern. Er kann im
Stehen rückwärts oder vorwärts rudern, je nach Lust und Laune. Vorwärts ist
kniffliger, aber es sieht nicht so aus, wenn er es macht. Er kann es mit einer
Zigarette im Mundwinkel, und er kann es mit dem Handy ans Ohr gedrückt,
während er mit Le Cassoulet in Dorchester einen Preis für seinen Fang
aushandelt. Bei mir ist es immer nur ein einziges Geschaukel, bis ich mich mit
einem Plumps hinsetze. Ich schaukelte. Ich setzte mich mit einem Plumps hin.
Das

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