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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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hineinzubohren, ein jäher Wind
streifte die Blätter von den Zweigen. Audrey rutschte auf ihrem Sitz hin und
her. Ich konnte schon das Curry riechen, das ihr entströmte. Der Wagen begann
zu wackeln.
    »Bin froh, dass ich heute Abend nicht da draußen bin«,
sagte ich bemüht heiter und stellte die Scheibenwischer an und die Scheinwerfer
wieder aus. Flüssigkeit strömte herab, schwer und klebrig. Es half nichts.
    »Wir sind heute Abend da draußen.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Wieder blitzte es. Auf der anderen Seite des Tals konnten
wir das Artilleriegelände sehen, neue Attrappen, aufgereiht wie Monsterenten.
Wir waren näher an ihnen dran als vom Bungalow aus. Sie wirkten real und doch
irreal, nah und doch weit weg, reglos und doch mit einer Art statischer Bewegung
aufgeladen.
    »Früher sind wir immer dahin«, sagte Audrey, »du und ich.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Haben alles Mögliche gemacht.«
    Sie starrte jetzt in die Dunkelheit.
    »Hast du schon mal schlechte Gedanken, Al?«
    »Was?«
    »Schlechte Gedanken. Hast du welche, richtig schlechte?
Ich ja.«
    »Tatsächlich?«
    »Ständig. Mein Leben lang.«
    »Und hast du sie jetzt auch, diese schlechten Gedanken?«
    »Ja.«
    »Über was?«
    »Alles. Globale Erwärmung. Aussterben der Menschheit.
Dich.«
    »Mich? Was denn so?«
    »Zum Beispiel, wozu ein Mensch wie du an so einem Abend
wie jetzt imstande wäre. Was du jemand anderem antun könntest, genau hier, wo
keiner die Hilfeschreie hören kann.«
    »Was meinst du damit?«
    »Irgendwas Schlechtes. Schlecht für sie, schlecht für
dich. Unsere Welt ist wie geschaffen für Schlechtigkeiten, nicht? Sieh dir
unser Dorf an, unseren Bungalow, Kim, die Newdicks, Miranda, alles irgendwie
schlecht...« Sie legte eine Hand auf mein Bein. »Deshalb wollte ich heute Abend
mit dir ausgehen, so wie früher, als Dad noch lebte. Du bist immer mit mir
hierhergefahren, nach einem Curry, nicht? Es hat dir gefallen, nach einem Curry.
Dein Trinkgeld hast du das genannt.«
    »Es ist nicht mehr wie früher«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Darum. Aus vielerlei Gründen. Dein Dad ist tot. Wir sind
verheiratet. Außerdem ist das zwanzig Jahre her. Solche Spielchen sind nichts
mehr für unser Alter.«
    »Was ist denn was für unser Alter, Al? Mein Golf? Deine Fische?«
    »Du hast schon eine ganze Weile nicht mehr Golf gespielt.«
    »Ich spiele morgen, stell dir vor. Mit Tina, wenn das Wetter
besser wird. Ich hab sie heute angerufen, als ich aus Wareham zurückgekommen
bin. Sie hat sich gefreut. Wir haben uns immer gut verstanden, ehe es zu diesem
Krach gekommen ist.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich spürte
förmlich, wie mir die Dinge wieder entglitten.
    »Kuck nicht so entsetzt, Al. Das nennt man den einen gegen
den anderen ausspielen.« Sie stockte. »Schlimm da draußen.«
    Ich wusste nicht, ob sie das Wetter meinte oder die freie
Marktwirtschaft. Sie griff nach unten nach dem Hebel und schob ihren Sitz
zurück.
    »Los, küss mich«, sagte sie.
    »Was?«
    »Du hast mich schon verstanden. Küss mich, wie du es immer
machst, kaltblütig, als würdest du's nicht ernst meinen, als würdest du dir
wünschen, ich wäre tot. Bring zu Ende, was du angefangen hast.«
    »Was ich angefangen hab?«
    »Am Sonntag. Da war auch ein Gewitter, draußen und
drinnen. Jetzt ist ein Gewitter. Gib mir den Rest, Al. Ich wünschte auch, ich
wäre tot.«
    Sie kam hoch und landete auf mir, ein gezackter Blitz
zuckte über sie. Ihr Gesicht war aufgerissen, ihr Mund zerteilt, halb Lächeln,
halb Fauchen, ihre Bluse hing auf. Ihre Brüste sahen aus wie in Blut getaucht.
Ich wich zurück.
    »Was ist los, Al?«, sagte sie. »Hast du dich überschätzt?
Wehren die Leichen sich?« Donner grollte.
    »Ich muss mal«, sagte ich und öffnete die Tür. Der Regen
stürzte vom Himmel, spritzte vom Boden hoch und rauschte so laut, dass ihr
Lachen übertönt wurde. Ich lief zu den Bäumen und öffnete den Reißverschluss.
Schon nach wenigen Schritten war ich klatschnass, aber es war mir egal. Es war
so eine Erleichterung, draußen zu sein, mit den Göttern zu pinkeln, weg von der
Gefahr. Plötzlich erwachte der Boden zum Leben. Audrey hatte die Scheinwerfer
eingeschaltet. Der Motor sprang an.
    »Audrey«, rief ich. »Was soll der Scheiß?«
    Sie lachte wieder, und meine Tür knallte zu. Das Licht
schwang im Kreis, als sie rückwärts setzte.
    »Audrey! Lass den Quatsch!«
    Die Räder drehten im Matsch durch, der Lichtkegel
schwenkte herum, erfasste

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