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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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Boot schwankte wild hin und her.
    »Vorsicht«, rief Kim. »Du kenterst, wenn du nicht aufpasst.«
    Ich packte die Ruder und setzte mich in Bewegung. Jedes
Mal, wenn eine der Schaufeln übers Wasser strich oder ein Ruder aus der Dolle
rutschte, konnte ich das hämische Grinsen in seinem Gesicht förmlich spüren.
Die Felsen kamen näher. Von oben schienen sie zu einem einzigen verschmolzen.
Jetzt konnte ich sehen, dass es vier waren, zerklüftete Dinger, die in einer
ungleichmäßigen Linie von der Klippenwand ragten. Ich ruderte vorsichtig,
erwartete fast, den Körper zu rammen, der vielleicht im Wasser trieb, mit dem
Gesicht nach unten, wie ein Blindgänger. Denn damit rechnete ich, wenn ich
sie fand. Ich würde explodieren, auf der Stelle, ka-wumm, über das ganze Meer
hinweg. Mir zitterten die Hände, die Ruder rappelten in den Dollen. Wenn ich
mich recht entsann, hatte der Gummistiefel zwischen den beiden Felsen gesteckt,
die der Klippe am nächsten waren. Ich manövrierte das Boot im Halbkreis nach
rechts, um mir ihre Breitseite anzusehen. Zwei Möwen stießen herab, um
festzustellen, was ich da machte.
    »Vorsicht«, warnte Kim. »Wenn du ein Loch reinmachst,
schwimmst du zurück.« Er lachte, aber er meinte es ernst.
    Da war nichts. Wie denn auch nach letzter Nacht? Aber was
war das da, in dem Seetang? Ich steuerte das Boot mit dem Heck nach vorn ein
bisschen näher ran. Eine Strömung zog mich nach rechts, direkt auf die Felsen
zu. Ich musste wieder einen Schwenk machen, um das Boot auf der Stelle zu
halten. Es war kein Stiefel. Es war eine Gummiummantelung, vielleicht von einem
Benzinschlauch. Plötzlich rollte eine Dünung förmlich aus dem Nichts heran, ein
einziges langes Wogen, wie eine geschüttelte Decke.
    »Zurück, zurück!«, rief Kim. »Du bist zu nah dran.«
    Ich legte mich in die Riemen, tauchte die Ruder ein, so
fest ich konnte, zu fest, zu tief, das Boot wirbelte herum wie ein
Spielzeugboot in der Badewanne. Wir wurden angehoben und auf den nächsten
Felsen zu getragen, nicht schnell, aber unvermeidlich. Es kam mir harmlos vor,
obwohl Kim laut zeterte, also streckte ich die Hand aus, um das Boot
wegzustoßen. Bloß, ich konnte den Arm nicht einfach waagerecht halten, denn
als wir ankamen, war die obere Hälfte des Bootes höher als der Felsen, sodass
ich nach unten greifen musste, um mich abzustoßen. Das war mein Fehler, weil
das Boot nicht aufpasste, der Felsen auch nicht, sie knallten einfach zusammen
und quetschten mir die Hand. Dann sank das Boot ab, schabte am Felsen lang, und
ich schaffte eine Drehung, indem ich mit der unverletzten linken Hand schob,
mir das Ruder unter den Arm klemmte und mich mit aller Kraft abstieß. Ich
knallte das Ruder in die Dolle, zog schnell und hart, die Schaufel packte
diesmal, und der Sog der Strömung machte den Widerstand der Ruderschläge wett.
Dann musste ich komplett aufhören. Der Schmerz hatte sich gemeldet.
    Mann, tat das weh. Ich versuchte, das rechte Ruder zu packen,
um zu Kim zurückzukommen, aber ich konnte nicht. Meine Finger waren völlig
verkrampft, die ganze Hand um den Schmerz gekrümmt. Ich hatte vergessen, wie
weh Hände tun können. In der Hand liegt alles so dicht beieinander, das
Fleisch, die Knochen, die Nerven. Ich bekam kaum mit, dass Kim sich mit einem
Bootshaken hinauslehnte und mich längsseits zog.
    »Steig ein, bevor du noch mehr Schaden anrichtest«, sagte
er. Ich tat wie geheißen, obwohl es nicht leicht war. Ich stand an Deck und
lutschte an meinen Fingern, während er das Dingi vertäute.
    »Dad hat mal meine Linke gepackt und die Autotür drauf
zugeknallt, bloß weil ich mich über seine Koteletten lustig gemacht hab. War
einen Monat lang nicht zu gebrauchen. Konnte mir nicht mal den Hintern
abwischen. Tauch sie in den Eiseimer. Das stoppt die Schwellung.«
    Er wendete das Boot zum offenen Meer. Schob den Gashebel
nach vorn.
    »Noch nicht fertig?«
    Er deutete mit einem Kopfnicken auf irgendeinen fixen
Punkt, den ich nicht sehen konnte. »Dachte, ich leg vielleicht noch ein Netz
aus, da hinten, an der Sandbank. Mal sehen, was wir fangen.«
    Es ist schon seltsam, wie lange es dauert, ans Ufer zu
kommen, und wie schnell man sich wieder davon entfernen kann. Im Nu waren wir
weit draußen. Als ich zurückschaute, hatte ich so ein Gefühl, als wäre ich im
Theater hinter die Bühne gegangen, ich konnte alles sehen, das Meer und die
Klippen und die Felder dahinter, kleine Gestalten, die herumhuschten, kleine
Autos, kleine

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