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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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nach
einem lebenden Modell gestaltet worden war oder frei nach Phantasie, fragte
mich sogar, ob Duncan das Modell gewesen sein könnte. Nein, von Duncans hätte
sie nicht einfach so die Spitze abgebissen, nicht, wenn das Foto auch nur ein
halbwegs verlässlicher Anhaltspunkt war. Ich leckte kurz daran, da, wo die Schokolade
schon leicht geschmolzen war. Köstlich. Sollte ich? Konnte ich? »Ach, scheiß
drauf«, sagte ich, schloss die Augen und biss hinein, erwischte etwas mehr als
beabsichtigt, aber er war einfach wie von selbst hineingeglitten, ich hatte gar
nicht richtig mitbekommen, wie tief. Er schmeckte himmlisch, genau, wie ein
Schokoladentonto sein sollte, bitter und süß zugleich und weicher, als ich es
für möglich gehalten hatte. Ich musste mich beherrschen, ihn nicht hier und jetzt
mit Stumpf und Stiel zu verputzen. Ich leckte noch einmal daran und stellte
ihn zurück. Zeit für die LPs.
    Ich brauchte eine halbe Stunde, um sie alle durchzusehen,
indem ich immer jeweils eine Handvoll rausnahm, aber es war nichts zu finden.
Sie hatte wirklich eine stattliche Sammlung, viele davon auf der Rückseite
signiert, eine von Mick, eine andere von Janis, sogar eine von Steve, dem Small
Face persönlich, er ruhe in Frieden. Sie hatte alles von Cohen, logo, aber
keine davon signiert. Vermutlich würdest du jemanden wie Leonard Cohen nicht um
so was bitten, es sei denn, du willst als Oberpfeife dastehen. Trotzdem frustrierte
mich das noch mehr. Keine signierte Cohen-Platte, kein Gras, und der
Schokoladentonto tabu. Vielleicht noch einen Schluck Wodka. Vielleicht aber
auch nicht. Ich setzte mich auf das Sofa am Fenster, wo sie eingepennt war, und
sah mich um. Der Kamin? Die Lautsprecher? Wo sonst hatte ich noch nicht
gesucht? Gab es hier irgendwo eine Falltür oder so? Ich rutschte auf dem Sofa hin
und her, verschob das Kissen, um es bequemer zu haben. Es fühlte sich stachelig
und kratzig an. Rosshaar pikste mich im Kreuz. Äußerst unangenehm. Das war doch
kein Kissen. Eher ein Ballen...
    Im Handumdrehen hatte ich den Reißverschluss auf und
klappte es am oberen Rand auseinander. Da war er, Schnüffelnases Geheimvorrat.
Drei Kissen voll insgesamt, genug, um ein ganzes Panzerregiment eine Woche lang
einen Meter über dem Boden schweben zu lassen. Ich holte ihre kleine Tabakdose
hervor und stopfte sie bis zum Anschlag voll, anschließend noch zwei Handvoll
in die eigene Tasche.
    Zeit, zu entspannen. Zeit, alles zu durchdenken. Ich
drehte mir eine dicke Tüte. Ich machte die Kühlschranktür auf, nahm noch einen
Schluck aus der Flasche, knabberte ein weiteres Mal am Tonto und zündete den
Joint an, knipste das Licht aus und sah zu, wie die Glut im Dunkeln glimmte.
Ich streckte mich auf dem breiten gemütlichen Sofa aus und ließ den Wodka, die
Kakaobohnen, das Gras, alles durch meinen Kopf spülen wie warmes Wasser. Ich
wusste noch immer genauso wenig wie vor drei Tagen, was passiert war, wo Audrey
gewesen war, wen ich von der Klippe gestoßen hatte, was mit Miranda war, diesen
Antworten war ich nicht nähergekommen und gleichzeitig war ich es doch. Tief in
mir drin war ich es, obwohl all die Fragen noch offen waren. Ich hatte nicht
unbedingt das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, mir war eher, als könnte
mir nichts geschehen, als würde das alles, was auch immer es war, über mich hinweggleiten,
wie eine Welle. Am kommenden Wochenende würden Audrey und ich nach Salisbury
fahren. Ich würde sie sanft behandeln, wie das Schloss in Alice Blackstocks
Tür, meine Finger wie Federn, meine Stimme wie Massage-Öl, das ihren Rücken
herabglitt. Ich würde ihr entlocken, wo sie gewesen war, dann würde ich
herausfinden, was die Polizei am Strand gefunden hatte, ob es Miranda gehörte
oder nicht. Was konnte es sein? Ein Schal, der Gummistiefel, den ich gesehen
hatte, ein gelber Regenmantel? Und wenn es von ihr war, wenn ich ihr das angetan
hatte, dann hatte ich ihr das angetan, und das war's dann. Und wenn sie es
nicht war, dann war sie es nicht, und das war's dann auch. Ich meine, was hatte
ich denn wirklich getan? Nur ein Stoß mit der Hand, mehr nicht. Ein einziger
Stoß. Das ist nicht viel, so ein Stoß. Der Druck deiner Fingerspitzen auf einem
anderen Menschen, für zwei Sekunden, vielleicht drei. So gut wie kein Kontakt.
Dann war da noch Mirandas Sporttasche. Ich sollte sie loswerden, das wusste
ich, sollte der Major doch sehen, was er damit machte, aber es behagte mir
nicht, sie so einfach auszuhändigen. Ich war

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