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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cliffhanger
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diese kleinen duftenden Holzklötzchen, mit
denen Audrey die Motten fernhält. Die feinsten Klamotten ihres Mannes, so
frisch gehalten wie die Radieschen, die er sich jetzt von unten ansah, gleich
neben dem Bett, das sie einst teilten. Kein Wunder, dass sie das Zimmer
verschlossen hielt. Kein Wunder, dass sie nicht oft hineinging. Wer so ein
Zimmer betrat, hatte Probleme, es unverändert wieder zu verlassen. Ich ging
hinaus und schloss hinter mir ab.
    Jetzt, da ich mir alles angesehen hatte, war unschwer zu
erkennen, wie sehr sich das große Zimmer vom Rest des Hauses unterschied. Es
war mit Sicherheit hier, das Versteck, hier irgendwo in diesem großen offenen
Raum mit den tiefen Sofas, den verstreut herumliegenden Kissen, den
Aschenbechern, den Whiskygläsern aus geschliffenem Glas, dem polierten
Stutzflügel, den Fotos, den Morgan-Short-Lautsprechern, die wie Wächter links
und rechts vom Kamin standen, und den vielen Vinyl-LPs entlang der ganzen
Wand gegenüber. Hier irgendwo war ihr Geheimvorrat, dachte ich, in einer Ecke,
in einer kleinen Nische, einem Schrank.
    Hier im Zimmer gab es allerdings einen Kühlschrank, einen
großen, im hinteren Teil, wo die Treppe hochkam, und ich dachte, den sollte ich
mir als Erstes vornehmen. Kein Gras, aber in den Türhalterungen standen
Wodkaflaschen, Veda, Snow Leopard, Stolichnaya, ein paar vom tückischen
Kremlyovskaya und, da schau her, eine Flasche Belvedere, der zufälligerweise
mein Lieblingswodka war, als ich mir noch öfter ein Gläschen genehmigte. Sie
kannte sich mit destillierten Spirituosen aus, unsere Alice Blackstock. Auf der
linken Seite war ein Eisspender, aber ich machte mir nicht die Mühe, schraubte
einfach den Verschluss ab und nahm einen tüchtigen Schluck. Unglaublich. Ich
konnte praktisch hören, wie er mir durchs Nervensystem pflügte wie ein
Eisbrecher auf dem Weg zum magnetischen Nordpol. Ansonsten war der Kühlschrank
gefüllt mit Schokolade, dunkler Schokolade, Tafel über Tafel, belgische,
schweizerische, deutsche, diese Edelsorte aus Frankreich, die ich vor zwei
Jahren für Miranda zum Geburtstag gekauft hatte, in Park Lane. Die gibt's in
verschiedenen Formen, nicht nur als Tafeln, sondern als Tassen und Untertassen,
als Telefone, Handschellen. Sie war am Tag nach ihrem Geburtstag zum Wohnwagen
gekommen, mein Geschenk lag schön verpackt auf dem Tisch, daneben eine Flasche
Champagner und ein kleiner Kuchen mit einer Kerze drauf. Als sie mir ihre neuen
Schuhe und ihre neuen Ohrringe gezeigt hatte - Geschenke von Iss und Ted - und
die Kerze ausblies, wobei sie sich die Haare nach hinten hielt, damit sie nicht
in die Flamme fielen, sagte ich, ich hätte ihr ein Werkzeugset gekauft, damit
sie auch mal selbst was reparieren könnte, und sie rümpfte ganz verwirrt die
Nase, und als sie dann die Schleife und das Papier abriss, kindlich, wie sie
noch immer war, kamen ein Schokoladenhammer, eine Schokoladenzange und drei
fünfzehn Zentimeter lange Schokoladennägel in einem kleinen Holzkästchen zum
Vorschein. Sie hätte mich fast ausgeknockt, als sie den Hammer und einen Nagel
an mir ausprobierte, kichernd über mich gebeugt, mit ihrem Geruch und ihrem
jungen Gewicht und ihren lachenden Augen. Die schönste Geburtstagsparty, die
ich je erlebt hatte, Miranda und ich und der Schokoladenhammer. Wir waren uns
so nah, dass es wehtat. Die alte Schnüffelnase hatte eine Variante gekauft, die
wie ein Leuchtturm auf einem Bett aus Steinen geformt war. Aber als ich ihn
rausnahm, sah ich, dass es gar kein Leuchtturm war, sondern ganz was anderes,
etwas, das Fortnum & Mason nicht im Traum verkaufen würden, nicht mal,
wenn sie zweihundert Mäuse pro Quadratzentimeter berechnen könnten. Ein
Schokoladentonto war es, ein Schokoladentonto, lebensgroß, unheimlich
lebensecht und mit akkurat abgebissener Spitze.
    Ich hielt ihn einen Moment lang in der Hand und sah ihn
mir an, fragte mich, woher sie ihn wohl hatte, wer in Gottes Namen so etwas
herstellte, fragte mich auch, wie er schmecken mochte. Ich meine, er sah gut
aus, aber die Vorstellung, einen Schokoladentonto in den Mund zu stecken, fiel
mir doch schwer. Natürlich war es nur eine Süßigkeit, aber dennoch, es kam mir
irgendwie nicht richtig vor, vor allem nicht allein, als traute ich mich so
etwas nur, wenn keiner zusah. Ich hielt ihn bestimmt eine gute Minute in der
Hand, die schon ganz warm und klebrig wurde, drehte ihn mal so, mal so, suchte
auf der Unterseite nach einem Herstelleraufdruck, fragte mich, ob er

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