Binding, Tim
nicht überzeugt von dem, was er
mir erzählt hatte, nicht hundertprozentig. Was, wenn sie sich an dem Sonntag
gar nicht wie die verliebten Turteltäubchen getrennt, sondern gestritten hatten,
sie wollte nicht gehen oder so, und die Gattin war im Anflug. Was, wenn er sie
umgebracht hatte und ich ihm in die Quere gekommen war, als er ihre Klamotten
loswerden wollte? Was, wenn ich die Tasche zur Polizei brächte? Ich meine, er
hatte sie schließlich in meinem Taxi liegenlassen. Wenn bloß nicht der
Wohnwagen wäre.
Ich musste über allerhand nachdenken.
Ich lehnte mich zurück. Der Mond war hervorgekommen, und
draußen war es hell, ganz kalt und blau, als wäre die Zeit eingefroren. Ich lag
da im Dunkeln, pustete Rauch in die Luft. Von dem Fenster aus konntest du alles
sehen, ihren Rasen und ihre kleinen Blumenbeete, den komischen kleinen
Schrein, auf dem sie Weihrauch anzündete, was wir manchmal riechen konnten;
Audreys alpinen Steingarten, die Mulde im Garten, wo der arme alte Monty begraben
lag, den Pfad zum Fischteich, wo Torvill und Dean bestimmt gerade langsam
herumschwammen, die letzten Futterstückchen anstupsten. Kim Stokies Garten war
zu sehen, die Veranda, die weiter vorragte als der Rest, weil er die Küche
erweitert hatte, der Hof und der offene Schuppen, wo die Gaszylinder neben dem
Kessel standen, in dem er seine Hummer kochte. Sogar die dunkle Silhouette des
Kliffs war zu sehen, das in einiger Entfernung den Himmel verdunkelte. Aus so
einer Höhe musste Schnüffelnase beobachtet haben, wie ich an dem Nachmittag
zurückgeschlichen kam, nachdem ich wen auch immer von der Klippe gestoßen
hatte. Oh Gott, was musste ich für einen Anblick geboten haben, wie ich in alle
Richtungen schaute, um mich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe war.
Doch sie war da gewesen, hatte oben in
einem Scheißbaum gehockt, und irgendwo da unten ich, mit dem Makel des Mordes
an mir. Ja, ich konnte die Sache hinter mir lassen, aber den hatte ich jetzt an
mir, wegen der Fingerspitzen. Den Makel des Mordes. Und ich wusste, er würde
alles besudeln, was ich wollte, was ich mir erhoffte. Was auch geschehen
mochte, das, was ich getan hatte, würde immer da sein.
Plötzlich fiel auf der anderen Seite des Weges Licht auf
Kim Stokies Hof, zwei lange Schatten tauchten kurz im Rahmen auf, ehe die Tür
sich wieder schloss. Ich setzte mich auf. Der eine war Kim Stokie. Ich erkannte
ihn daran, wie sein gewehrkugelförmiger Kopf auf den Schultern saß, aber der
andere? Kim schien ihn zu führen, eine Hand fest auf seinem Rücken. Ich konnte
nicht sehen, wer er war, weil Kim mir die Sicht versperrte, aber die beiden
hatten irgendwas Verstohlenes an sich, Hastiges, als wollten sie nicht gesehen
werden, als hätten sie dort nichts zu suchen. Irgendwas stimmte nicht. Kim
trug keine Kopfbedeckung, aber der andere Bursche hatte eine Mütze auf, tief in
die Augen gezogen. Sie eilten über den Hof auf den hinteren Zaun zu, Kim sah
sich um, vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, weder ich in meinem
Garten noch Pat Fowler gegenüber. Der andere könnte Jacko sein, dachte ich,
als mir das höhnische Grinsen in seinem Gesicht einfiel. Ich wusste, die zwei
waren dick befreundet. Würde zu ihm passen, sich für irgendein krummes Ding zu
verkleiden. Sie trugen eine Art Seil zwischen sich, ich konnte sehen, dass das
eine Ende um Kims Hand gewickelt war, das andere um die seines Freundes.
Schmuggeln, das kam mir plötzlich in den Sinn, ein schöner altmodischer Brauch
und fiskalischer Spaß, Sachen, die mit der Flut an den Strand gespült werden,
an einen der unzugänglichen Abschnitte hinter Durdle Door, und Kim und sein
Komplize sind zur Stelle, um alles auf die Felsen zu ziehen.
Dann waren sie am Zaun, Kim hievte sich rüber und drehte
sich um, offenbar um dem anderen zu helfen. Dabei fiel das Licht direkt auf den
Kopf des anderen, und jeder Gedanke an eine Schmuggelaktion war augenblicklich
verflogen. Ich konnte jetzt seine Gestalt besser erkennen, die Ausbuchtung
der Jacke in Brusthöhe, das Haar, das lang und dicht herabfiel, wie bei einer
Frau. Das, was er da aufhatte, war keine Mütze, sondern die Kapuze eines
Regenmantels, eines gelben, wie ihn die Fischer trugen, und er hatte eine
Brille auf, eine dunkle Brille, um Gott weiß was zu verbergen. Ich war
aufgesprungen, presste die Hände gegen das Fenster. Es konnte nicht sein, aber
es war unverkennbar. Miranda, Miranda, die ihre Haare nach hinten hielt und den
Zaun so mühelos
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