Bindung und Sucht
keine Anzeichen für Störungen in der engen Beziehung.
Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Workaholismus und Beziehungsqualität finden sich auch in Untersuchungen, die sich mit dem sog. Typ-A-Verhalten von (zumeist männlichen) Berufsträgern einerseits und mit Zufriedenheit und Wohlbefinden der zugehörigen Ehepartnerinnen andererseits befassen (Barling et al. 1990; Burke et al. 1980 a, 1979). Diese Untersuchungen sind insofern relevant, als die Forschung einen positiven Zusammenhang zwischen Typ-A-Verhalten und Workaholismus bestätigt hat (z. B. Burke 1999 b; Burke et al. 2006). Friedman und Rosenman (1974), die Urheber des Konzepts des Typ-A-Verhaltens, äußerten als Erste den Gedanken, dass das Typ-A-Verhalten mit einer vergleichsweise dürftigen Beziehungsqualität assoziiert sei. Burke und Weir (1980) stellten fest, dass das Ausmaß des allgemeinen Typ-A-Verhaltens von Ehemännern positiv mit der ehelichen Unzufriedenheit sowohl dieser Männer als auch ihrer Ehefrauen korrelierte (siehe auch Burke et al. 1979). Barling et al. (1990), die mit einer Stichprobe von 134 Allgemeinärzten und deren Ehefrauen arbeiteten, befassten sich mit zwei Typ-A-Komponenten, die in einer Studie zur ehelichen Unzufriedenheit von Pred, Spence und Helmreich (1986) als »Leistungsstreben« und »Ungeduld/Reizbarkeit« identifiziert worden waren. Ungeduld/Reizbarkeit der Ehemänner (Ungeduld, Wut, Reizbarkeit und Feindseligkeit) war mit ehelicher Unzufriedenheit beider Partner assoziiert, während zwischen Leistungsstreben und ehelicher Unzufriedenheit keine Korrelation bestand.
Auch Autoren mit klinischer Orientierung (Killinger 1991; Oates 1971; Robinson 1998) haben den Gedanken geäußert, dass Arbeitssucht mit einer eher geringen Beziehungsqualität einhergeht. Robinson und seine Kollegen (Robinson 1996 a, 1996 b, 1998; Robinson & Kelley 1998; Robinson & Post 1995, 1997) betrachten Arbeitssucht als Symptom eines kranken Familiensystems. Für sie ist Arbeitssucht, ähnlich wie andere Arten von Suchtverhalten, eine intergenerationelle Erscheinung, die durch Familienprozesse und familiäre Dynamiken an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wird. Zwar haben diese Autoren keine unmittelbare Untersuchung dazu angestellt – sie haben die Bewertung der Arbeitssucht der Eltern also nicht in Beziehung zur Bewertung der Arbeitssucht der Kinder gebracht –, aber sie verweisen, um das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs zu stützen, auf die Parallelität zwischen gewissen psychischen Symptomen arbeitssüchtiger Väter und den entsprechenden Symptomen der Kinder (z. B. Angst und Depression; Robinson 1999; Robinson & Kelley 1998; Robinson & Post 1995). Und Robinson und Post (1997) berichten über eine Stichprobe von 107 nach eigener Aussage arbeitssüchtigen Personen (Mitgliedern von Workaholics Anonymous in Nordamerika), die sich dem Work Addiction Risk Test (WART) und einer Methode zur Erfassung der Funktionsweise von Familien unterzogen hatten. Es wurden drei unterschiedlich hohe WART-Punktwerte verglichen. Die Teilnehmer mit dem hohen Workaholismus-Risiko kamen, verglichen mit den Teilnehmern mit dem niedrigen oder dem mittleren Risiko, auf sechs der insgesamt sieben Skalen zur Erfassung der Funktionsweise von Familien zu erheblich unbefriedigenderen Ergebnissen, was in allen Fällen auf eine dürftigere Beziehungsqualität hinwies.
Die »spillover-crossover«-Perspektive
Die bisher betrachteten Untersuchungen sind typisch für die frühe Forschung zum Thema des Ausstrahlens (crossover) von Arbeitserfahrungen und beruflicher Beanspruchung auf die Funktionsweise und die Zufriedenheit in der Familie (indirektes crossover; Westman 2006). Neuere Forschungsdesigns zu diesem Thema nehmen auch die Partner-Dyade in den Blick (z. B. Bakker et al. 2005; Hammer et al. 1997; Westman & Vinokur 1998). Die Anforderungen am Arbeitsplatz und die Anforderungen in der Familie bilden den gemeinsamen Ausgangspunkt des crossover -Prozesses. Westman (2001, 2006) berücksichtigt auch den Workaholismus als eines der persönlichen Attribute eines Menschen, das am crossover -Prozess beteiigt sein könnte.
Zur Erklärung dieses Prozesses führt Westman (2006) mehrere denkbare Mechanismen an. Erstens kann dieser Prozess ganz direkt, nämlich über die Empathie zwischen den beiden Ehe- oder Lebenspartnern, ablaufen: Da Ehe- bzw. Lebenspartner ein erhebliches Maß an Zeit miteinander verbringen, werden sie der affektiven Verfassung des jeweils
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