Bindung und Sucht
anderen gewahr und sind auch selbst davon beeinflusst. Zweitens sind sie vielleicht gewissen gemeinsamen Stressoren (finanziellem Druck, bestimmten Lebensereignissen) ausgesetzt, die ihrerseits zu einem Mehr an wiederum gemeinsamer Belastung (z. B. negativen Affekten) führen können. Drittens kann es sich bei diesem crossover -Prozess um einen indirekten Ablauf handeln. Das heißt, die Belastungen werden indirekt, nämlich auf dem Weg über die Kommunikation und Interaktion der Ehe- oder Lebenspartner – d. h. über ihre Bewältigungsstrategien, über das sogenannte soziale Unterminieren (ein Untergraben durch soziale Interaktionen, ein Angriff auf den Interaktionspartner), über das Vorenthalten sozialer Unterstützung – vermittelt. In der hier vorgestellten Studie konzentrierten wir uns besonders auf den letztgenannten Prozess. Wir erwarteten einen negativen Einfluss des Workaholismus des einen Partners auf die Beziehungszufriedenheit des anderen, vermittelt durchdas Erleben des Konflikts zwischen Beruf und Familie und das Nachlassen der sozialen Unterstützung, die dem anderen Partner zuteil wird (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Das Workaholismus-Modell
Workaholismus ist ein Phänomen, das die Betroffenen veranlasst, ein Übermaß an Zeit auf ihre Arbeit zu verwenden, und dies auf Kosten anderer Beschäftigungen. Workaholiker müssten sich folglich in Bezug auf das Ausmaß, in dem sie den Beruf-Familie-Konflikt erleben, und im Hinblick auf die Qualität ihrer engen Beziehungen von Nicht-Workaholikern unterscheiden (Taris et al. 2005). Der Konflikt zwischen Beruf und Familie wird als »eine Form des Interrollen-Konflikts« definiert, »bei dem die Rollenanforderungen einerseits des beruflichen und andererseits des familiären Bereichs in mancher Hinsicht wechselseitig inkompatibel sind« (Greenhaus & Beutell 1985, S. 77). Die Teilhabe an der Familienrolle wird folglich durch die Teilhabe an der beruflichen Rolle erschwert. Einige Studien haben in der Tat einen positiven Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und dem Konflikt zwischen Beruf und Familie nachgewiesen (z. B. Bonebright et al. 2000; Taris et al. 2005). Was die persönlichen Ressourcen angeht (vgl. z. B. Hobfoll 2002), so kommt noch hinzu, dass Arbeitssüchtige »dank« ihrer zwanghaften Tendenzen mehr Ressourcen (Zeit, Mühe) auf ihre Arbeit verwenden, was zur Folge hat, dass ihnen weniger Ressourcen für das Familienleben zur Verfügung stehen. Und schließlich hat Burke (2002) festgestellt, dass Workaholiker ihre Arbeitsumgebung vergleichsweise als anstrengender und stressiger und als einem Ausgleich von Beruf und Familie eher hinderlich wahrnehmen; Untersuchungen haben in der Tat gezeigt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Anforderungen am Arbeitsplatzund der Wahrnehmung des Konflikts zwischen Beruf und Familie besteht (Demerouti et al. 2004 b). Man kann also die These aufstellen, dass Arbeitssüchtige diesen Konflikt vergleichsweise stärker empfinden (Hypothese 1; siehe auch Abb. 1).
Dazu kommt, dass Arbeitssüchtige, eben weil sie in ihre Arbeit »versunken« sind (Schaufeli et al. 2008) – und dies übrigens auch dann, wenn sie sich zu Hause aufhalten –, ihren Partnern weniger emotionale und praktische Hilfe und Unterstützung zukommen lassen. Allerdings erwarteten wir, dass Arbeitssucht und verminderte Partnerunterstützung nur über den Konflikt zwischen Beruf und Familie miteinander verbunden seien (alleiniger Zusammenhang; Hypothese Nr. 2). Diese Sicht deckt sich mit der von Edwards und Rothbard (2000) vorgetragenen Hypothese einer Art Rollenverengung: Danach besitzen die Menschen ein begrenztes und feststehendes Maß an Ressourcen (z. B. Zeit und Energie). Mehrere Rollen (die des Berufsträgers und die des Partners) bewältigen zu müssen ist problematisch, weil diese Rollen die gleichen, nur begrenzt vorhandenen Ressourcen anzapfen.
Des Weiteren zeigt die Literatur über Familienprozesse, dass es bei gestressten Paaren ein hohes Maß an negativen, nichtstützenden Interaktionen und Konflikten gibt (Westman & Vinokur 1998). Die erhöhte Belastung, die mit der Erfahrung des Konflikts zwischen Beruf und Familie einhergeht, und die sie begleitende Frustration bringen den betroffenen Menschen dazu, eine Folge negativer Interaktionen mit der Partnerperson zu beginnen oder vorhandene negative Interaktionen noch zu verstärken (Westman 2005). In ihrer auf mehreren Quellen beruhenden Studie mit 337 Paaren zeigten Matthews et
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