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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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ersten Partnern an, die zu neuen Erfahrungen und damit auch zu Veränderung der bisherigen Arbeitsmodelle führen können. Dennoch zeigte sich vom Alter von 16 bis zu dem von 18 Jahren eine signifikante Übereinstimmung der Klassifikation der Bindungsrepräsentation von 77 % bei 39 Jugendlichen aus der Regensburger Längsschnittstichprobe (Zimmermann & Becker-Stoll 2002).
    Die Erfassung der Bindungsrepräsentation anhand des Adult Attachment Interviews verweist also sowohl für kurze Zeiträume (von 3 bis 18 Monaten) als auch für längere Zeiträume (2 bis 12 Jahre) im Jugend- und Erwachsenenalter auf eine hohe Stabilität innerer Arbeitsmodelle von Bindung. Insbesondere in den Reliabilitätsprüfungen über drei Monate sind die Ergebnisse beeindruckend und sprechen sowohl für die Güte der Methode als auch für die Stabilität des Konstruktes.
Bindungsrepräsentation und Essstörungen
    Auf die Häufung von unsicher-distanzierten, unsicher-verwickelten und ungelöst-traumatisierten Bindungsrepräsentationen in klinischen Stichproben (Van IJzendoorn & Bakermans-Kranenburg 1996) wurde schon hingewiesen, ebenso auf die systematischen Zusammenhänge zwischen bestimmten Störungsbildern und den einzelnen Bindungsrepräsentationsmustern in solchen Stichproben. Untersuchungen zu Essstörungen zeigen insgesamt eine deutliche Häufung von unsicheren Bindungsstilen bei essgestörten Patienten (Ward et al. 2000). Candelori und Ciocca (1998) führten mit 36 jugendlichen essgestörten Patientinnen das AAI durch. 12 der Patientinnen litten an restriktiver Anorexie, 12 an Anorexie vom Binge-Purging-Typ und 12 an Bulimie. Die Auswertung der AAIs ergab folgende Klassifikation: 9 Patienten wurden als distanziert, 6 als sicher gebunden und 15 als unsicher-verwickelt gebunden klassifiziert, ein Patient wurde als ungelöst traumatisiert und 5 wurden als unklassifizierbar eingestuft. Die Autorenberichten einen deutlichen Zusammenhang zwischen einer verwickelten Bindungsrepräsentation und einer bulimischen Symptomatik, unabhängig von der Diagnose einer Anorexie oder Bulimie.
    Ramacciotti und Mitarbeiter (2001) fanden in einer kleinen Stichprobe von insgesamt 13 jugendlichen anorektischen Patienten, von denen sechs männlich waren, ebenfalls eine deutliche Häufung von distanzierten und verwickelten Bindungsrepräsentationen. Auch Salzman (1997) fand einen deutlichen Zusammenhang zwischen verwickelter Bindungsrepräsentation und Anorexie.
    Fonagy und Mitarbeiter (1996) untersuchten eine Stichprobe von 82 nichtpsychotischen Psychiatriepatienten mit dem Adult Attachment Interview und fanden bei den insgesamt 14 essgestörten Patienten folgende Verteilung von Bindungsrepräsentationen: ein AAI wurde als sicher eingestuft, 9 als verwickelt und vier als distanziert . 13 der 14 essgestörten Patienten wurden als ungelöst traumatisiert klassifiziert. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Patienten, die als distanziert klassifiziert worden waren, zum Zeitpunkt der Entlassung die deutlichste Verbesserung während der Psychotherapie aufwiesen, im Vergleich zu den Patienten mit sicherer oder verwickelter Bindungsrepräsentation.
    Es gibt inzwischen verschiedene Studien, die bei Gruppen essgestörter Patienten eine Häufung von unsicheren Bindungsstilen anhand von Fragebögen (vgl. Steins et al. 2002, auch Schauenburg & Reinhold 2000) nachweisen. Um den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht zu sprengen und auch, weil andere Verfahren nachweislich nicht das Gleiche messen wie das Adult Attachment Interview (vgl. dazu Buchheim & Strauß 2002), werden im Weiteren nur Studien berücksichtigt, bei denen die Bindungsrepräsentation anhand des Adult Attachment Interviews erhoben wurde.
Bindungsrepräsentation und Therapie
    Nach Bowlby (1988 a, c) können aus bindungstheoretischen Konzepten mehrere Aufgaben für den Therapeuten abgeleitet werden. Neben seiner Rolle als sichere Basis besteht seine Aufgabe darin, es dem Ratsuchenden zu ermöglichen, vertrauensvoll die eigene Situation zu erkunden und alte und unpassende Bindungsmodelle aufzuspüren. Ratsuchende werden dem Therapeuten auch in der therapeutischen Beziehung durch ihre Erwartungshaltung und durch die Qualität ihres Gefühlsausdrucks Einblick in ihre Bindungsorganisation geben. In der therapeutischen Situation kann dann gezielt die adaptive Qualität solcher Gefühls- und Erwartungshaltungen im Hinblick auf eine gegebene Realität geprüft werden. Meist wird es erforderlich sein, neue Wahrnehmungs-,

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