Biohacking - Gentechnik aus der Garage
über den Weg. Tom Burkett etwa ist da, der Professor am Community College in Baltimore, den wir 2010 besucht hatten (siehe Kapitel 3) und der derzeit den Biohackerspace BUGSS aufbaut. Wir treffen auch Ellen Jorgensen von Genspace in New York und Kristina Hathaway von Biocurious in Sunnyvale wieder.
Zur Absurdität der Situation gehört aber auch, dass uns dort, elf Flugstunden von Deutschland entfernt, etwas gelingt, was wir bislang kaum geschafft haben: einige der anderen europäischen Biohacker endlich persönlich zu treffen. Darunter sind auch ein paar neue, junge Gesichter der ständig wachsenden und sich verändernden DIY-Bio-Bewegung.
Zum Beispiel Radka Hanečková. Die 25 Jahre alte Grafikerin aus Österreich zog 2009 nach Prag, begann sich nebenbei für Physik und Entwicklungsbiologie zu interessieren, hörte öffentliche Vorlesungen an der Uni und gründete schließlich 2010 mit Freunden den Hackerspace „brmlab“. 61 „Ich wusste von Anfang an, dass ich mein Interesse an Molekularbiologie irgendwie einbringen wollte, und als wir dann im Herbst 2010 einen geeigneten Raum gefunden hatten, wurde ein kleiner Teil davon mein Biolabor“, erzählt Hanečková. Im slowakischen Bratislava geboren, kam sie erst mit elf Jahren nach Österreich und studierte später in Wien Grafik. Inzwischen hat sie jedoch ihren Grafikerjob an den Nagel gehängt und ein Biologie-Studium an der Prager Karls-Universität begonnen. Das lässt ihr nebenher noch genügend Zeit für eigene Experimente im Privatlabor: „Wir haben ein Laser-Mikroskop gebastelt, indem wir einen Laser-Pointer durch einen Wassertropfen projizieren, wir haben natürlich DNA isoliert aus Erdbeeren, irgendwelchen anderen Früchten, Tulpen, und als ich flüssigen Stickstoff in die Hände bekam, isolierten wir Chlorophyll aus Blättern und beobachteten es unter UV-Licht.“
Während Hanečková sich vor allem für Biologie interessiert, sind die meisten anderen brmlab-Gründer eher Computer- und Softwarefreaks. Die lassen sich jedoch offenbar gern auch auf Bioprojekte ein. Solch interdisziplinäre DIY-Zusammenarbeit macht zum Beispiel Hacks möglich, bei denen aus dem Laufwerk einer Festplatte die Steuereinheit einer Zentrifuge entsteht. „Momentan arbeiten wir am Umbau eines Autokühlschranks in einen Brutschrank“, erzählt uns Radka weiter. Das brmlab ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Zusammenarbeit mit Biohackern für Profi-Forscher lohnen kann. Die Neurobiologin Tereza Nekovarova vom Institut für Physiologie der Universität Prag bat das brmlab, eine Variation der „Skinner Box“ zu bauen, einem Kasten, in dem das Lernverhalten von Ratten getestet werden kann. 62 „Mittlerweile ist sie fertig, und es laufen zwei Experimente damit“, sagt Hanečková stolz. Ihr Steckenpferd sei aber Bioelektrizität und die Wahrnehmung von elektromagnetischen Feldern. „Fische können das“, betont Hanečková, „und ich bin auf verschiedene DIY-Projekte von Leuten gestoßen, die versuchen, sich selbst Extrasinne dazu zu bauen.“ Eine der einfachsten Modifikationen sei es, sich kleine starke Magnete mit hautfreundlichem Superkleber an die Fingerspitzen zu kleben. „Ich hatte mir so einen Magneten für zehn Tage angeklebt, und Mikrowellen spürtman dann so fast auf einen halben Meter Entfernung“, erklärt Hanečková. „Der Magnet reagiert auf das Feld mit Vibration, die man dann mit den empfindlichen Fingerspitzen spürt.“ Mit ein wenig Übung könne man sogar Frequenzen unterscheiden. „Man spürt beschleunigende Straßenbahnen, Neonröhren, Ladegeräte und sogar Kabel wie zum Beispiel das zum eingeschalteten Wasserkocher.“ Manche Leute gehen noch einen Schritt weiter und lassen sich in einem Bodymod-Studio den Magneten unter die Haut einpflanzen, so Hanečková. „Da hätte ich allerdings Gesundheitsbedenken.“
Ohnedies ist die Studentin nicht naiv, was Risiken des Biohackens betrifft. Selbst in ihrem Manga-Style-Comic-Blog lässt Hanečková eine Figur, ihr Alter Ego „Chidori“, Bakterien mit Bananengeschmack züchten und kosten – worauf die Figur prompt umfällt. 63 „Wenn man mit Mikroorganismen arbeitet, dann besteht immer eine gewisse Gefahr, es müssen gar nicht gentechnisch veränderte Mikroorganismen sein“, sagt Hanečková. „Es liegt an jedem Einzelnen von uns, sich der Verantwortung bewusst zu sein, aber ich sehe da eigentlich keinen so großen Unterschied zu anderen Berufen, wo man Verantwortung für
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