Biohacking - Gentechnik aus der Garage
daraufhin zügig die Reaktion an, deren Ziel es ist, unser eigenes Genprofil, einen genetischen Fingerabdruck, zu erstellen. Dazu haben Thalheim und Trojok wieder spezielle kurze DNA-Stücke bestellt. Diese „Primer“ kommen zusammen mit unseren DNA-Proben in das teure PCR-Gerät; mit ihnen lassen sich die für jeden Menschen charakteristischen Erbgutregionen, die wir analysieren wollen, vervielfältigen.
Doch die PCR-Reaktion braucht ihre Zeit. Sie braucht länger, als wir dachten. Und wir müssen uns dummerweise bald auf den neunstündigen Weg zurück nach Berlin machen. Wir warten ungeduldig, bis die PCR-Maschine mit schrillem Piepsen verkündet, dass sie mit dem Vermehren der DNA fertig ist. Dann packen wir das gute Stück wieder vorsichtig ins Auto und müssen uns ohne Ergebnis verabschieden. Denn eine weitere Stunde können wir nicht warten. Die wäre mindestens nötig, um eine Gel-Elektrophorese laufen zu lassen und im Gel dann das Genprofil sehen zu können. Rüdiger und Lisa müssen das nun allein durchziehen.
Irgendwann auf der Rückfahrt, zwischen Heilbronn und Nürnberg, erfahren wir per SMS, dass die Reaktion nicht funktioniert hat. Wir sind inzwischen abgebrüht genug, um den Misserfolg mit einem Schulterzucken wegzustecken. Dass alles gleich funktioniert, haben wir ohnehin noch nie erlebt. Das Ergebnis – oder das Fehlen eines solchen – ist also eher Standard. Wir sind sogar ziemlich zufrieden mit unserem ersten deutschen Biohacker-Treffen. Es hat Spaß gemacht, wir haben ein bisschen experimentiert und viel geredet – über Chancen und Risiken des Biohacking und der Biohacker-Bewegung. Nehmen wir die Biohacker-Perspektive ein, dann ist es schön zu wissen, dass man nicht das einzige Minigrüppchen beginnender Biohacker in Deutschland ist, dass es noch andere gibt und dass diese auch nicht virtuoser und erfolgreicher im Labor hantieren als man selbst. Und nehmen wir die Bürger- oder Journalisten-Perspektive ein, dann können wir notieren, dass diese anderen – zumindest die, die wir jetzt ein wenig besser kennen – sehr genau wissen, was sie tun, und alles andere als auf Gesetzesbrüche oder Biohazard-Nervenkitzel aus sind.
Als wir uns verabschiedet hatten, hatte uns Rüdiger Trojok gebeten, dass wir die bei ihm gemachten Fotos vorerst nicht veröffentlichen. Er wollte nicht, dass bekannt wird, dass er hier ein Genlabor in der Wohnung hat. Wir versicherten ihm, dass wir über unseren „ersten deutschen Biohack“, bei dem dummerweise aber fast schon erwartungsgemäß nichts erfolgreich „gehackt“ worden war, nur mit seiner Zustimmung berichten werden.
Trojoks Vorsicht kommt nicht von ungefähr, denn in Freiburg, so erzählt er uns, würden militante Gentechnik-Gegner auch schon mal Scheiben einschmeißen. In der gentechnikskeptischen deutschen Gesellschaft, glaubt Trojok, wird kein offenes Biohacking möglichsein, ohne der Öffentlichkeit plausibel machen zu können, dass man sich über die Sicherheit ausgiebig Gedanken gemacht hat. Er beschließt deshalb, zunächst einen „Code of Conduct“ zu entwerfen, also eine Art Katalog selbstauferlegter praktischer und ethischer Regeln für ein sicheres und verantwortungsbewusstes Biohacking, bevor er weiter experimentiert. Andere in der internationalen Biohacker-Szene denken ähnlich, allen voran Jason Bobe, Gründer der DIYbio.org-Website und mit Mackenzie Cowell Biohacker der ersten Stunde. Er lädt Trojok, Thalheim und andere europäische Biohacker ein paar Monate nach unserem gemeinsamen Hack in Freiburg – im Sommer 2011 – zu einer Konferenz nach London ein, um dort über einen gemeinsamen Code of Conduct zu diskutieren.
Bobe hat mit dem Genomforscher George Church das Personal Genome Project an der Harvard University aufgebaut. Er ist mittlerweile geschäftsführender Direktor einer Non-Profit-Organisation gleichen Namens ( www.personalgenomes.org ), die die Erforschung der Genome von Einzelpersonen in deren und im Interesse der Gesellschaft fördern will. Für DIYbio.org engagiert er sich nur in seiner Freizeit – aber durchaus nicht nur als Websites-Initiator, sondern auch als aktiver Biohacker, zum Beispiel im „BioWeatherMap“-Projekt. Dieses hat zum Ziel, die Vielfalt von Bakterien an gewöhnlichen Orten abzubilden. Mithilfe von DNA-Barcoding, jener Methode, mit der man auch Sushi-Fische bis auf Artniveau bestimmen kann, sucht er derzeit nach den Bakterienspezies, die sich in etwa 300 exemplarischen US-Haushalten finden
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