Biohacking - Gentechnik aus der Garage
der Universität Kopenhagen haben sie bereits eine Ausstellung über synthetische und Do-It-Yourself-Biologie entwickelt. Trojok hat dafür seine bereits im vorigen Kapitel erwähnte „Gene-Gun“ gebaut. Mit ihr kann fremde DNA in Zellen hineingeschossen werden, und es ist die Technik, die dem Agrarkonzern Monsanto zu vielen seiner Patente auf Saatgut verholfen hat, die ihrerseits heute wirtschaftliche Probleme für Kleinbauern in aller Welt verursachen. Seine Gen-Pistole funktioniert, an Zwiebelzellen hat er sie schon ausprobiert. Sie tatsächlich wie ein Gewehr aussehen zu lassen wäre technisch nicht nötig gewesen. Doch Trojok hat sie auf einen entrindeten, schlanken Ast montiert, der in der Form einer langgezogenen Pistole gewachsen ist. Dieses ironische Design soll den Spaß an der Sache einerseits, aber auch ein Bewusstsein für mögliche Risiken der Gentechnik für die Gesellschaft andererseits transportieren. Beides ist ihm wichtig.
Trojok versteht sich als Teil einer Grassroots-Bewegung, die eine so machtvolle Technologie wie die Gentechnik nicht in der Gewalt von Konzernen, sondern in den Händen der Bürger wissen will. So wie die Computerhacker des Chaos Computer Clubs das Internet und jegliche Computertechnik nicht allein den Regierungen und Konzernen überlassen, so werden die Biohacker „das Pendant in der Biotechnik sein“, sagt Trojok. „Wir haben schon drüber nachgedacht, den Chaos Biologie Club zu gründen.“ Nicht nur Experten oder Firmen sollen bestimmen, was man von Gentechnik zu halten hat, sondern „die Leute sollen lernen, wie es geht, und es selbst erfahren können“. Denn erst dann könne man verstehen, was die realen Risiken sind, „und vor allem, warum Gentechnik so cool ist.“
Diese Ansicht vertritt Trojok auch im Herbst 2012 in seinem Vortrag vor dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (TAB). Das Beratergremium hatte ihn aus Kopenhagen nach Berlin gebeten, um sich im Rahmen eines geplanten Gutachtens zur Synthetischen Biologie auch über Do-It-Yourself-Biologie zu informieren. Am Tag nach seinem Auftritt dort sind wir mit ihm in den Räumen des Berliner Hackerspaces „Raumfahrtagentur“ verabredet. Auch Romie Littrell hat sich dafür angekündigt, ein Biohacker aus Los Angeles, der sich zur gleichen Zeit zu einem spontanen Besuch entschlossen hat. Er hat gerade ein paar Hacker in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana besucht, und für amerikanische Verhältnisse liegt dann Berlin praktisch um die Ecke.
Per E-Mail haben wir ausgemacht, dass er bei Richard auf der Ikea-Couch, die so orange wie eine DNA-Bande in einem Elektrophorese-Gel ist, übernachten kann. Littrell trudelt mitten in der Nacht nach zwölfstündiger Mitfahrgelegenheits-Mitfahrt mit seinem Trolleykoffer in Berlin ein und fällt nach einem artig akzeptierten Begrüßungsglas Weißwein erschöpft ins improvisierte Bett.
Am nächsten Morgen beginnt Romie seinen Berlin-Aufenthalt erst einmal mit einer ausgiebigen Online-Sitzung am Laptop. Der junge Mann mit den kurzen dunklen Haaren und dem modischen Lippeneinrahmungsbärtchen ist nur ansatzweise erholt, denn in Ljlubljana wurde, so erzählt er beim Kaffee, meist bis frühmorgens gebiohackt, um danach direkt zum Frühstück in die Stadt zu gehen. Aber auch für Berlin ist sein Kalender bereits voll: Berlin Wall, Brandenburg Gate und German Biohacking.
Littrell ist promovierter Biotechnologe, hat an der University of California in Berkeley studiert und war zwischen 2007 und 2008 Labormanager am MIT. Dass Biotechnologie außerhalb von Labors machbar sein könnte, habe er sich damals nicht vorstellen können, sagt er. Doch schon bald – inspiriert von iGEM und der gerade aufkeimenden Biohacker-Szene in Boston – erkannte er, was außerhalb der Forschungsinstitutionen möglich ist. Kaum zurück in Los Angeles, fand er im Frühjahr 2010 Gleichgesinnte auf einer Konferenz, die der Historiker und Anthropologe Christopher Kelty von der dortigenUniversity of California (UCLA) organisiert hatte. Kelty lud unter dem Titel „Outlaw Biology“ ein, um über die neuen Bio-Amateure zu diskutieren – und darüber, was das, was sie tun, für die Gesellschaft bedeutet.
Die meisten Biohacker dort störte es ziemlich, als Gesetzlose bezeichnet zu werden, erinnert sich Littrell. Einige von ihnen mögen sich als Teil einer revolutionären Bewegung am Rand der Gesellschaft sehen, es sei jedoch sinnvoll, vorsichtig mit solchen Begriffen
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