Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Diagnose von Malaria einsetzen wollen. Bei einem von Vodafone gesponserten Wettbewerb gewann van Boheemen damit einen mit 40 000 Euro dotierten Preis, um den Prototyp zu einem Produkt weiterentwickeln zu können. 65 Außerdem testen er und seine Freunde, welche Produkte aus dem Supermarkt Gebrauchsgüter für das Labor ersetzen könnten. Inzwischen hat der Holländer gar einen weltweiten Wettbewerb ausgerufen, GOODIYbio, 66 eine Art iGEM nur für Biohacker. „Das Ziel ist, Teams herauszufordern, mehr reproduzierbare Projekte zu entwickeln“, sagt van Boheemen. „Die DIY-Bio-Bewegung wird vermutlich ein wenig chaotisch und unorganisiert bleiben, aber ich glaube, dass sie auch neue Unternehmen hervorbringen wird, die durch Bildung und Produktion gesellschaftliche Werte schaffen werden.“
Es ist gut möglich, dass sich Amsterdam bald zu einem Dreh- und Angelpunkt der europäischen Biohacker entwickelt – sei es aufgrund der günstigen Lage, der Finanzierungssituation oder des zumindest bislang liberalen politischen Umfelds.
Ähnlich geschichtsträchtig wie das Amsterdamer Labor ist auch das „MadLab“ 67 im englischen Manchester. Es hat im Northern Quarter der Stadt Unterschlupf gefunden. Das Viertel ist einer der Orte, wo die industrielle Revolution begann, und Friedrich Engels beschrieb seine Einwohner und deren Leben in seinem ersten Buch „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ (1844). Heute ist die Gegend bekannt für ihre alternative Kultur- und Pub-Szene, und MadLab fungiert nicht nur als Biohacker-Knotenpunkt, sondern auch als Ort der Subkultur, wo etwa auch Langzeitarbeitslose beim Experimentieren Beschäftigung, Ablenkung und Bildung finden. Die DIY-Biologie-Gruppe im MadLab entstand aus einer Kooperation mit der Manchester Metropolitan University und bekam sogar Unterstützung durch den Wellcome Trust, eine der größten privaten Forschungsstiftungen der Welt.
Als wir nach zweimal Mario Gomez, einmal Robin van Persie und unserem Gespräch mit Pieter van Boheemen in den Konferenzraum zurückkehren, berichtet gerade der Pariser Thomas Landrain, Doktorand in einem Labor für Synthetische Biologie und 2007 iGEM-Teilnehmer, über die Gründung des Biohackerspaces „La Paillasse“. Zu Deutsch bedeutet das „Der Labortisch“. 68 Die Grundausstattung dafür bekamen die Pariser Biohacker aus dem Nachlass einer bankrotten Biotech-Firma. „Wir sind etwa zehn aktive Mitglieder, circa 100 auf der Mailingliste“, referiert Landrain. Darunter seien auch viele Designer und Künstler. „Aber uns fehlen Frauen, bitte bringt eure Frauen mit!“, ruft Landrain ins Auditorium und kreiert damit einen seltenen Moment gemeinsamen fröhlichen Gelächters in der Hacker- und Agenten-Runde. Überhaupt scheinen die Franzosen ziemlich viel Spaß am Biohacken zu haben, denn sie beschäftigen sich unter anderem mit „Biotic Games“, Spielen mit lebenden Organismen, Bakterien etwa, oder auch Kaulquappen. „Man hat Bakterien oder Ähnliches und verfolgt oder lenkt diese Organismen auf eine Weise, dass man ein Spiel spielen kann“, erzählt Landrain und zeigt unter anderem einen Film, in dem Kaulquappen mit Licht in die gewünschte Richtung dirigiert werden. Frösche spielen auch eine Rolle bei der Kooperation zwischen La Paillasse und dem iGEM-Team der Universität Evry. In deren Projekt taucht zum ersten Mal bei iGEM eine Krallenfrosch-Art (Xenopus tropicalis) als Versuchsobjekt auf. Den Tieren sollen gentechnisch die Erbanlagen eines pflanzlichen Hormonsystems eingebaut und dessen Wirkungen im Embryo zwischen den verschiedenen sich entwickelnden Organsystemen untersucht werden
So wenig die Strategie des FBI, Biohacker zum gegenseitigen Bespitzeln anzuregen, unter den europäischen Hackern Anklang findet, so gut dient die Tagung dazu, sich gegenseitig kennenzulernenund gemeinsame Projekte zu vereinbaren. Eines davon ist die – zunächst erst einmal theoretische – Arbeit an einer Mikrobe, die auf dem Mars lebensfähig sein soll.
Ein anderes ist die Beschäftigung mit einer Strategie, wie man sich in Zukunft gegenüber Geheimdiensten und anderen Polizeibehörden verhalten will.
Rüdiger Trojok ist im Juli 2012 nach Kopenhagen umgezogen, wo er seine Diplomarbeit beenden will. Kaum eingelebt, hat er sich schon dem Kopenhagener Hackerspace „Labitat“ angeschlossen, in dem die dänischen Biohacker Martin Malthe Borch und Marc Juul ihre „BiologiGaragen“ eingerichtet haben. Für das „Medical Museion“
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