Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Freiburg ihre PCR-Maschine zu übergeben, führt uns Thalheim in die alten Räume der Berliner „Raumfahrtagentur“. Es ist ein Hackerspace, der bis unter die Decke vollgestopft ist mit für uns undefinierbarem Elektrokram und halbfertigen oder ausgeschlachteten Computern. In einem kleinen Kabuff hat Thalheim ihr molekularbiologisches Equipment abgestellt. Fürs Biohacken selbst ist auf den zwei, vielleicht drei Quadratmetern kaum Platz. „Wir ziehen bald um“, sagt Thalheim. „In ein ehemaliges Schwimmbad im Wedding, da baue ich mir gerade ein ehemaliges Klo in ein Labor um.“ Ein paar Monate später wird sich dort die erste Berliner Biohacker-Gruppe um Lisa Thalheim formieren.
Doch daran ist jetzt noch nicht zu denken. Sie drückt uns ihre PCR-Maschine und noch ein paar andere Kleinigkeiten in die Hand, die wir für die in Freiburg geplanten Experimente brauchen. Wir sind von der handlichen und offensichtlich neuen Maschine beeindruckt. Unser eigenes PCR-Monstrum ist jedenfalls wahrscheinlich plusminus fünfzehn Jahre alt, doppelt so groß wie eine Mikrowelle und allein kaum zu heben. „Ja, das kleine Ding hat mich fast 4000 Euro gekostet“, sagt Thalheim. Sie ist dabei, wie immer, gelassen und ruhig, fast bedächtig. Bevor sie zu schnell etwas sagt, denkt sie lieber erst ein wenig nach, lässt mitunter eine Pause entstehen, die anderen schon fast peinlich lange wäre, um dann aber ebenso gelassen weiterzureden. „Ich wollte einfach sichergehen und zumindest diese Fehlerquelle ausschließen.“ Wir pfeifen durch die Zähne, verstauen das Gerät wie ein rohes Ei im Auto, fragen uns, ob es auch Heckscheibenschilder mit dem Spruch „PCR an Bord“ gibt, und verabschieden uns fürs Erste.
Als Lisa dann ein paar Tage später in Rüdigers Bude in Freiburg zu uns stößt, erkundigt sie sich erst einmal freundlich, wie die Fahrt war. Wir hätten Verständnis, wenn sie mehr daran interessiert wäre, dass ihr teures Stück Ausrüstung eine gute Reise hatte, als wir. Nach einem improvisierten spätnachmittäglichen Frühstück in Trojoks kleiner Küche machen wir uns ans Experiment: Zunächst einmal extrahieren wir wieder Erbgut aus unseren Mundschleimhautzellen. Wir wollen unseren eigenen genetischen Fingerabdruck erstellen. Unter viel Gekicher schaben wir uns Zellen aus den Wangen. Dann folgen wir dem Versuchsprotokoll eines DNA-Extraktionskits, das wir uns von einer kleinen, deutschen Firma haben schicken lassen und in dem alle nötigen Reagenzien enthalten sind. Die Atmosphäre ist locker, wir machen Fotos, erzählen einander alles Mögliche zum Thema, fühlen uns ein wenig wie Pioniere. Wir trennen die DNA von den Zell- und Speichelresten, pipettieren Dutzende Male wässrigeLösungen von einem „Eppi" ins nächste, wir zentrifugieren und waschen und zentrifugieren erneut. Schließlich trocknen wir einen Hauch weißlichen Schattens am Boden jener Minigefäße, von dem wir hoffen, dass es die DNA ist. Um das zu kontrollieren, lösen wir jene weißliche Spur in ein paar Mikrolitern destilliertem Wasser auf und geben etwa die Hälfte davon auf ein vorbereitetes Gel. Auch wenn die DNA-Moleküle zu groß sein dürften, um bei der Gel-Elektrophorese vom elektrischen Feld weit in das Gel hineingezogen zu werden, sollten wir erkennen können, ob wir genug DNA extrahiert haben oder nicht.
Wir könnten für den Check auf Erbmaterial auch Rüdigers Photometer benutzen, doch noch haben wir das Gerät nicht in Gang bekommen. Während die Gel-Elektrophorese läuft, haben wir etwa zwei Stunden Zeit, um etwas zu Abend essen zu gehen, in einem der von Freiburger Studenten frequentierten günstigen Restaurants. Tatsächlich müssen auch wir, je länger unsere Biohacker-Karriere dauert, immer mehr aufs Geld achten.
Als wir zurück in Rüdigers Dachkammer kommen, ist es schon dunkel und Zeit für die Auswertung unseres ersten Arbeitstages. Das Ergebnis ist nur zur Hälfte erfreulich: Zwei der vier DNA-Extraktionen scheinen funktioniert zu haben, dort hängt ein deutlich erkennbarer schmieriger Strich im Gel. In den anderen beiden Bahnen ist kaum etwas zu erkennen. Wir beschließen, dennoch mit allen vier DNA-Proben eine PCR-Reaktion durchzuführen – aber erst morgen. Schlafsäcke und Isomatten werden hervorgekramt, und bald herrscht Ruhe.
Der nächste Tag beginnt mit einem sich etwas länger hinziehenden Frühstück, an dessen Ende uns klar wird, dass wir schon wieder viel geredet, aber nichts getan haben. Wir setzen
Weitere Kostenlose Bücher