Biohacking - Gentechnik aus der Garage
eröffnet und Ende der 30er Jahre als „Haus der Technik“ genutzt zur Ausstellung und Vorführung unzähliger elektrotechnischer Erfindungen der AEG, wurde das Gebäude nach dem Mauerfall von Künstlern besetzt. Sie bewahrten es damit vor dem Abriss, der noch von den DDR-Behörden angeordnet worden war. Innerhalb weniger Wochen wurde aus der jahrelang ungenutzten Ruine ein bunt bemaltes, von Dutzenden Künstlerateliers durchsetztes, mit Kino, Panorama-Bar und Blauem Salon für Lesungen und Konzerte ausgestattetes Kulturzentrum. Gut zwanzig Jahre lang ist das Haus ein Paradebeispiel für die Kraft der alternativen Kunst und Kultur Berlins. Doch nun stehen wir vor verschlossenen Türen, denn Anfang September 2012 wurde das Tacheles, Jiddisch für Klartext, geräumt – auf Veranlassung eines unbekannten Eigentümers.
Angesichts des Schicksals des Tacheles kommen wir schnell darüber ins Gespräch, wie sehr das Engagement von Bürgern von den Rahmenbedingungen abhängt, die ihnen eingeräumt werden. Der gedankliche Sprung zu unserem eigentlichen Thema ist dann nur noch der einer alten Katze: Wird sich Do-It-Yourself-Biologie in Deutschland frei und sicher entfalten und die Gesellschaft positiv beeinflussen können? Werden Biohacker einen von Gesetzen und der Bevölkerung selbst akzeptierten und auch geschützten Platz in dieser Gesellschaft finden? Werden sie Plätze finden, wo sie ihren Ideen nachgehen können, ohne ausgesperrt oder gar in die Illegalität gedrängt zu werden?
Nach einem letzten Blick auf das geschlossene Tacheles suchen wir uns eine Kneipe auf der Oranienburger und landen im Souterrain-Lokal „Silberfisch“. „Das übersetzen wir lieber nicht“, sagt Trojok, als er sieht, wie der Amerikaner sich bereits in eins der gemütlichen Sofas fallen lässt und uns gerade zu einem Bier einladen will. Bei Berliner Pilsner wird Littrell gesprächig und erzählt uns von Marc Dusseiller, den er gerade in Ljubljana getroffen hat. Der Schweizer Nanotechnologe hat seine Uni-Karriere an den Nagel gehängtund stattdessen Hackteria.org initiiert, ein Netzwerk unter anderem fürs Biohacken. „Hackteria ist eine tolle Gemeinschaftsaktion“, sagt Littrell, sie biete Raum für Experimente, die nicht in die üblicherweise streng getrennten Kategorien von Kunst, Forschung, Bildung oder Technik einzuordnen sind, sondern von jedem etwas sein dürfen. Kunst und Bildung seien Vorläufer für neue kulturelle Bewegungen, sagt Littrell. DIY-Bio brauche mehr Teilnehmer, „und Hackteria macht einen guten Job, sie mit anderen Bewegungen und Gruppen zu vernetzen und sie zu inspirieren“.
Hackteria, so schreibt Dusseiller auf seiner Website, wolle mit „einfachen Technologien für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Lebenswissenschaften und der Nanotechnologie (...) einen Zugang schaffen für eine breite Gruppe von Medienkünstlern, Naturforschern und Musikern“. Die Initiative ist ein eher virtuelles Gebilde, eine Webplattform, die Anhänger auf der ganzen Welt hat – darunter auch Trojok – und Workshops in Bangalore, Bergen, Yogyakarta und allerhand anderen Orten organisiert. Sie war 2012 auch für den von Wikimedia Deutschland ausgelobten „Zedler-Preis für Freies Wissen“ nominiert.
Littrell hat Dusseiller in Ljubljana getroffen, um ein paar Tage lang bei „NanoŠmano“ mitzuwirken, einer Mischung aus Ausstellung, Live-Labor und Kunstworkshop mit Fokus auf die Schnittstellen zwischen Nanotechnologie, Kunst und anderen Wissenschaften. Während NanoŠmano 2010 noch in einer Galerie mit Nanotechnik, Kunst und Design experimentierten, fand das Projekt 2011 in einer verlassenen Bar und 2012 in einem gemeinschaftlichen Schrebergarten, Onkraj gradbišča, statt. Man will neue Räume für die Auseinandersetzung mit Forschung, Technik und Kunst erobern und an der Grenze zwischen dem Lebenden und Künstlichen experimentieren. Begeistert – und auch nach wie vor ausgelaugt von dem Workshop – zeigt uns Littrell Fotos aus Ljubljana. Zu sehen sind meterlange Becken voller Algenzuchten, Experimente für optimale Kompostbedingungen, Mikrofluidiksysteme zur Zellsortierung und auch angeblich musizierende Mess-Elektroden. Dazu kommen Bilder von allerhand abgefahrenen künstlerisch inspirierten Experimenten, angesichts derer wir dann jetzt mal mit den Köpfen schütteln.
Die DIY-Biologie mag ihren Ursprung in den USA haben, aber momentan gibt es in Europa die spannenderen Projekte, meint Littrell. Begeistert ist
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