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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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umzugehen. Auch eine schnelle Revolution durch Amateur-Forschung sieht er nicht heraufziehen.
    Er selbst sei anfangs eigentlich nur auf der Suche nach einem Raum für sich gewesen, in dem er seine Ideen verwirklichen konnte. Doch rasch wurde der Austausch mit anderen Biohackern für ihn genauso wertvoll wie die eigentliche Laborarbeit, und er gründete „DIYbio LA“: „Ich bin nicht überzeugt davon, dass Gemeinschaftslabors der beste Platz sind, um unsere Arbeit zu erledigen, aber sie sind definitiv wertvolle Begegnungsstätten, um Ideen auszutauschen und voneinander zu lernen.“
    In dem Gemeinschaftslabor der LA Biohackers arbeitet er mit Kollegen derzeit an einem der bislang wohl anspruchsvollsten DIY-Bio-Projekte. Es wäre sogar für professionelle Labors eine ziemlich große Nummer. Die Gruppe will ein Enzym namens Nitrogenase so verändern, dass es auch bei 25 Grad Celsius schafft, wozu es normalerweise 65 Grad benötigt: Stickstoff aus der Luft in eine chemische Form zu verwandeln, die für Pflanzen und den Menschen nutzbar ist. Zwar besteht die Erdatmosphäre zu 78 Prozent aus Stickstoff, aber nur ein paar Bakterien schaffen es, diesen Stoff, den nicht nur alle Organismen zum Leben brauchen, sondern auch die Industrie (etwa zur Herstellung von Edelstahl) und die Landwirtschaft (für die Düngemittelproduktion), aus der Luft zu holen. Die kalifornischen Biohacker versuchen Nitrogenase-Bakterien durch einen Vorgang, den man „gerichtete Evolution“ nennt, allmählich so zu verändern, dass sie ihren Wohlfühlbereich von einer brodelnden heißen Quelle in Richtung Zimmertemperatur verlagern. Es ist ein Riesenprojekt, langwierig dazu, und man kann sich fragen, warum ausgerechnet ein paar Amateure sich an so etwas heranwagen. Natürlich, sagt Littrell, sei es anspruchsvoll und das Risiko zu scheitern enorm hoch. DieChance zu lernen sei aber auch riesig. „Es ist ein Pilotprojekt, in dem wir lernen, wie man so etwas macht. Der Weg ist das Ziel.“
    Inzwischen ist DIY-Bio für ihn vor allem „ein Ausdruck unseres Bedürfnisses zu lernen“, philosophiert Littrell, während er in Richards Lieblingscafé auf der Warschauer Straße die Qualität von Bio-Muffins made in Germany testet: „Es liegt in unserer Natur, die Grenzen unserer Fähigkeiten und unseres Wissens verschieben zu wollen.“ Und DIY-Bio senke die Eintrittsbarriere für all diejenigen, die lernen wollen.
    Barrieren ganz anderer Art, die Reste der Berliner Mauer, will sich Littrell jetzt erst einmal ansehen gehen, danach Brandenburger Tor und Reichstag, das ganze Sightseeing-Programm, „Berlin in one day“. Abends treffen wir ihn dann zusammen mit Rüdiger Trojok wie verabredet in der Raumfahrtagentur wieder, dem Hackerspace im Stadtteil Wedding, wo Lisa Thalheim ihr kleines Labor aufgebaut hat. Thalheim selbst hat keine Zeit, sie schreibt an ihrer Diplomarbeit in Bioinformatik. Also zeigen wir ihm das, was die Keimzelle der Berliner Biohacking-Szene ist, oder besser: werden soll. Ein winziger Raum, ein ehemaliges Klo der umgebauten Badeanstalt, in die die Raumfahrtagentur eingezogen ist. Dort gibt es Wasseranschlüsse und genug Platz für ein oder zwei sehr schlanke Biohacker.
    Thalheims mühsam zusammengetragene Geräte sind schnell gezeigt, Littrell ist höflich beeindruckt und fragt, welche gentechnischen Experimente hier denn gemacht würden. „Gar keine, nichts von dem, was in LA oder Boston machbar wäre“, erklärt Trojok ihm, und wir erzählen vom deutschen „Genetic Engineering Law“ oder wie immer es auf Englisch heißen mag, das gentechnische Experimente, bei denen Organismen mit artfremden Genen verändert werden, auf zugelassene, professionell geführte Sicherheitslabors beschränkt. Das ist ein Stempel, den Thalheims Selfmade-Labor nicht hat und bis auf weiteres auch nicht bekommen wird. Es folgt die uns inzwischen schon vertraute Diskussion über Sinn und Unsinn der restriktiven deutschen Gentechnik-Gesetze. Wir selber versuchen neutral die Argumente pro und contra aufzuzählen, Romie schüttelt aber nur den Kopf ob so viel seiner Meinung nach wenig begründeter „German Vorsicht“. Einig sind wir uns dann aber, noch ein wenigBerliner Nachtleben zu schnuppern, und fahren mit der U-Bahn bis zur Haltestelle Oranienburger Tor.
    Wir zeigen Romie das „Tacheles“, eine Ruine, doch ein Beispiel für die Kreativität, die aus Bürger-Power entstehen kann. 1909 mit damals modernen gewaltigen Stahlbetonkuppeln als Kaufhaus

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