Biohacking - Gentechnik aus der Garage
er vor allem vom Iren Cathal Garvey. Der gilt als eine Art Wunderkind der DIY-Biologie.
Garvey bricht 2010 seine Doktorarbeit in einem renommierten Labor ab, aber nicht um der Wissenschaft den Rücken zu kehren. Für ihn geht es jetzt sogar erst richtig los. Im Haus seiner Eltern richtet er sich ein eigenes Labor ein und bekommt im Juli 2011 von der irischen Umweltschutzbehörde das Zertifikat ausgehändigt, das ihm erlaubt, Bakterien in seinem Heimlabor gentechnisch zu verändern. Auf der DIYbio-Mailingliste ist der 27-jährige Garvey einer der Wortführer. Wissenschaftler, die ihn kennen, beschreiben ihn als sehr intelligent, aber zu ungeduldig, um im akademischen System bestehen zu können.
Seit er das System verlassen hat, arbeitet er daran zu demonstrieren, dass Wissenschaft nicht hermetisch abgeriegelt sein muss und auch mit kleinem Budget auskommt. Er baut die für viele Experimente nötigen Behälter für Wasserbäder aus alten Kaffeedosen. Er benutzt Marmeladengläser statt Erlenmeyerkolben. Und ein alter Schnellkochtopf ersetzt den Autoklaven, jenen beheizbaren Druckbehälter, mit dem in Labors Ausrüstung sterilisiert und sonstige unerwünschte Bakterien abgetötet werden. Berühmt, zumindest in der Biohacker-Szene, wurde er mit seiner „Dremelfuge“, einer zur Zentrifuge umfunktionierten Bohrmaschine der Firma Dremel. Auf das Originalgerät hat Garvey dafür einfach einen Rotor montiert, der vier bis sechs kleine Reaktionsgefäße halten kann.
Ende 2012, zu dem Zeitpunkt, da dieses Buch so langsam fertig werden muss, arbeitet er an einer Art molekularer Open-Source-Genfähre. Mit ihr soll es möglich werden, jedwede DNA in Bakterien einzuschleusen, um diese dann in Produktionsstätten für Biomoleküle für die eigenen Zwecke zu verwandeln. Er habe es so ausgelegt, dass Amateure damit arbeiten können und dabei nichts weiter benötigen als das, was man in einem normalen Haushalt oder im Supermarkt um die Ecke findet, schreibt uns Garvey. Außerdem arbeitet er gerade an einer neuen Methode zur Aufreinigung von Proteinen. Mit diesen beiden Methoden kombiniert, könne jeder „seine molekularen Werkzeuge selber herstellen“. Als echter Hacker stellt er alles,was er erfindet, patent- und lizenzfrei, also „open source“, zur Verfügung. „Free Wetware statt freier Software!“, nennt er das – „Wetware“ ist die inzwischen gängige Bezeichnung für die molekulare Hard- und Software der Biologen.
Garvey ist für uns eine Art Phantom, denn wir haben es nie geschafft, ihn persönlich zu treffen. Unsere erhoffte Reise nach Irland kam nicht zustande. Und zum FBI-Treffen in Kalifornien ist er nicht gekommen, weil er die Methoden der Behörde ablehnt. Wir kommunizieren mit ihm also auf die Art und Weise, die Standard ist unter Biohackern – per E-Mail. Und er nimmt sich mehr Zeit, macht sich mehr Gedanken, unsere Fragen zu beantworten, als mancher Professor.
Glaubst du, dass Heimwerkerbiologie in ein paar Jahren mehr sein wird als eine Randnotiz der Geschichte?
Garvey: Das hoffe ich sehr. Ich denke unser Ansatz wird Schule machen. Ich glaube, dass Biotechnologie denselben Weg einschlagen wird, den die Computertechnik bereits gegangen ist. Zuerst verlässt sie die kommerziellen und akademischen Labors und wird von der Hackerszene aufgenommen und breitet sich von dort in den Alltag aus. Soweit ich das sehen kann, gibt es nur zwei Hindernisse. Die Öffentlichkeit fühlt sich so lange wohl, wie sie ignorieren kann, dass Krebsmedikamente, bezahlbares Getreide und all die Enzyme, die eine moderne Gesellschaft heute am Laufen halten, von der Biotechnologie bereitgestellt werden. Sobald Biotech sichtbar wird, wird es gruselig, zum Beispiel in Hollywood-Filmen, aber auch dadurch, dass Unternehmen den Leuten weismachen wollen, dass ihr Handwerk zu kompliziert ist, um von Laien verstanden zu werden. Und dann gibt es noch den Widerstand der Wirtschaft. All jene Unternehmen, die von den hohen Preisen für biotechnologische Erzeugnisse profitieren, weil sie ihr Geschäftsmodell bedroht sehen. Aber auch die, die von der Angst leben, die glauben machen wollen, dass Biotechnologie gefährlich ist. Ich werde nicht vorhersagen, was die Biohacker alles hervorbringen werden, aber ich habe ein paar Vorstellungen: Warum sollten die Nutzpflanzen der Zukunft nicht automatische Updates bekommen, die sie vor Krankheitserregern schützen? Sobald ein Schädling auftaucht, schreibt jemand ein genetisches Schutzprogramm,
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