Biohacking - Gentechnik aus der Garage
wiederzufinden. Viele haben immer ein Nebenprojekt im Kopf, an dem sie schon immer arbeiten wollten, zu dem sie aber in ihrem beruflichen Alltag nie die Möglichkeit hatten. Das bestätigt uns auch Romie Littrell, ein Biohacker aus Los Angeles, als wir ihn später treffen. Er selbst hat lange Jahre in Universitätslabors gearbeitet, unter anderem am MIT in Cambridge. Er weiß, dass die meisten Profis nicht an Projekten arbeiten, an denen ihr Herzblut hängt. Und nebenher haben sie kaum Zeit für ihre eigenen Forschungsinteressen. „Ich habe viele gesehen, bei denen sich Begeisterung in Apathie und Hass gegen die eigene Arbeit gekehrt hat“, sagt Littrell. „Wieder den Blick für die Faszination der Biologie zu öffnen, ist für mich der wichtigste Grund, Biologie im DIY-Stil zu betreiben.“
Jorgensen räumt ein, auch sie habe anfangs die „herablassende Attitüde“ gehabt, dass, wenn irgendwelche Leute mit Biologie herumpfuschen, sie besser einen Profi dabeihätten, damit sie nicht „irgendetwas Dummes“ tun. Aber inzwischen wisse sie, dass Leute, die sich auf DIY-Biologie einließen, in der Regel Bescheid wüssten. „Womit mich die DIY-Biologie letztlich geködert hat, war der Enthusiasmus, die Leidenschaft für Wissenschaft“, sagt Jorgensen. Das sei ein Gefühl, weswegen man überhaupt die Forscherlaufbahn einschlage, „und das macht es so aufregend, hier zu sein“.
Aber was kann, bei allem Enthusiasmus, dabei herauskommen? Können semiprofessionelle Labors wie Genspace oder Biocurious oder gar Kleiderschranklabors wie das von Kay Aull irgendetwas Substanzielles zur Forschung oder zum Fortschritt beitragen? Das zu beantworten, dafür sei es viel zu früh, sagt Jorgensen. „Man kann argumentieren, dass man frische Perspektiven und neue Ideen bekommt, wenn man Leute mit radikal unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringt, aber es kann auch sein, dass Forschung inzwischen so kompliziert ist und so viel Expertise und Infrastruktur erfordert, dass DIY keinen nennenswerten Beitrag leisten kann.“
Aber was ist eigentlich ein „nennenswerter Beitrag“? Eine Fachpublikation, ein neues Medikament, ein nobelpreisreifer Durchbruch?Oder schon eine kleine Datenlieferung über die Gene der Bakterien im heimischen Feuerlöschteich? Oder sind die Kurse, in denen Großmütter mit ihren Enkeln lernen, Bakteriengene herumzuschubsen, viel wichtiger, weil sie Bildung über eine Schlüsseltechnologie der Zukunft transportieren?
Jorgensen jedenfalls spricht von einem großen Potenzial, auch für echte Forschung und echten Fortschritt: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass Genspace irgendwann auch einen wissenschaftlichen Fachartikel publiziert“, in einer von Experten begutachteten Fachzeitschrift, in der auch Profi-Forscher veröffentlichen. „Wir werden sehen, schließlich gibt es uns erst ein paar Monate.“
Tatsächlich steht die DIY-Biologie in Gemeinschaftslabors heute dort, wo sich der Frauenfußball in der Bundesrepublik Anfang der 70er Jahre befand. Ganz am Anfang. Möglich ist vieles, die Herausforderungen aber sind nicht rein sportlicher Natur.
Kapitel 3 ...
... in dem wir eine Englischlehrerin in der Genküche besuchen, Biobastler im ganz normalen Amerika kennenlernen, eine Forscherlegende in ihrem Büro fast verschüttet vorfinden, in dem wir auch lernen, wie zwei Toms sehr verschieden und sich im Grunde doch auch sehr ähnlich sein können, uns etwas von Biohandys vorschwärmen lassen und ein Professor zum Hacker wird ...
FAST FOOD AUS DER GENKÜCHE
„Mein Name ist Bernadette, ich liebe die Wissenschaft, und ich bin hier, weil es eine großartige Gelegenheit ist, Laborerfahrung zu sammeln, wovon ich bisher keine habe.“ So stellt sich uns mit tiefer, rauchiger Stimme Bernadette Gallagher vor. Die 48-jährige Lehrerin – irischer Einschlag unverkennbar – unterrichtet an einer Highschool englische Literatur, ist Mutter dreier Kinder, steht jeden Morgen um 4:45 Uhr auf, arbeitet bis nachmittags um fünf. Sie hat praktisch keine Ahnung von Biologie. Und nimmt es trotzdem mehrmals wöchentlich auf sich, fast 50 Kilometer über die verstopfte Autobahn aus Annapolis nach Baltimore zu fahren, um ihrem Enthusiasmus für Bio- und Gentechnik zu frönen. Ihr Mann teilt ihre Begeisterung eher weniger, erzählt sie, es nervt ihn, dass sie ihre Freizeit nicht mit ihm verbringt und an manchen Abenden bis zehn Uhr im Genlabor bleibt.
Doch Bernadette Gallagher ist „hooked“, hat Feuer
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