Biohacking - Gentechnik aus der Garage
schon professionell wirkender Routine schwingen die Englischlehrerin und die beiden fachfremden Studenten Miles und Patrick inzwischen die Pipetten. Bernadette etwa arbeitet an einer Werkbank, die für möglichst keimfreie Luft sorgt, und pipettiert eine Flüssigkeit auf Agarplatten. Die sieht aus wie naturtrüber Apfelsaft und enthält die gerade gentechnisch veränderten Bakterien, die Bernadette mithilfe winziger, auf der Agarplatte herumrollender Glaskügelchen verteilt. Dann stellt sie die Platten beschriftet in den Brutschrank. Sie vergisst auch nicht, die Temperatur zu kontrollieren, exakt 37 Grad Celsius, schließlich sind es Bakterien, deren Wildform im Darm von Warmblütern lebt. Bernadette trägt bei all dem die vorgeschriebenen Gummihandschuhe und den etwas zu groß geratenen Gebraucht-Laborkittel. Dann macht sie sich ans Aufräumen. Studenten, oder vielleichtauch Betreuer, haben in dem sonst für Praktika genutzten Labor einen großen Zettel aufgehängt: „Räum auf, wenn du fertig bist! Deine Mutter arbeitet hier nicht!“ Die dreifache Mutter Bernadette Gallagher zeigt ihn uns wortlos. Und lacht.
Am Labortisch nebenan werkeln Miles Pekala und Patrick O’Neill an einer Selbstbau-Version einer Gel-Elektrophorese-Apparatur, mit der DNA-Stücke der Länge nach sortiert werden können. Wenn es fertig ist und funktioniert, wollen sie das Gerät auf dem iGEM-Wettbewerb vorstellen. Burkett erzählt uns derweil, warum er sich als Profi-Forscher auf solch ein Anfänger-Projekt überhaupt eingelassen hat. „Bürgerforscher, die irgendwo da draußen Experimente machen, können einen wichtigen Beitrag zur professionellen Forschung leisten“, sagt er, und das mit Nachdruck und Überzeugung in der Stimme. „Wir können das bereits dort sehen, wo Menschen die Rechenkapazität ihrer Computer zur Verfügung stellen, um etwas zur Lösung des Problems der Proteinfaltung oder zu Problemen in der Astronomie beizutragen.“ Er kann sich durchaus vorstellen, dass DIY-Biologen irgendwann freie Plätze in ihren PCR-Maschinen für irgendwelche Großprojekte in der Forschung zur Verfügung stellen. „Und jemand, der nicht durch die traditionellen Bildungskanäle zur Biologie gekommen ist, hat vielleicht eine ganz andere, neue Perspektive auf die Lösung eines Problems.“
Wer Wissenschaft nur aus Spaß betreibt, der muss sich nicht darum kümmern, ob seine Arbeit am Ende für einen wissenschaftlichen Artikel taugt oder überzeugend genug für einen Finanzierungsantrag oder eine berufliche Karriere ist. „Ich kann im Labor einfach Spaß haben, und auch wenn ich in neun von zehn Fällen vermutlich scheitere, kommt vielleicht das eine Mal doch etwas Interessantes dabei heraus“, so Burkett.
Seine Sympathie für die Idee eines liberaleren Umgangs mit Gentechnik ist allerdings nicht unbegrenzt. Intellektuell offen, aber technisch sicher und abgeschlossen, so stellt er sich die ideale DIY-Welt in der Biologie vor. Der Professor hat – in einer ihm eigenen Mischung aus väterlich-pädagogischem An-die-Hand-Nehmen und ein wenig militärischem Drill – sein Amateur-Team auf die Beachtung der Sicherheitsregeln für Laborarbeit und gentechnische Experimente eingeschworen. Auch mit Was-wäre-wenn-Szenarien.„Was passiert zum Beispiel, wenn ich vergesse, etwas im Autoklaven zu sterilisieren, und es in den Abguss gieße?“ Diese Frage müsse man sich vor jedem Experiment stellen, jedes Mal neu. „Kann das die Umwelt belasten, ist es ein Krankheitserreger, der einen Effekt auf Menschen, Seevögel, Krabben oder sonst etwas haben könnte?“ Man müsse eine Kultur schaffen, die aus sich heraus solche Fragen der Biosicherheit angeht.
Ein paar Tage bevor die Reise nach Boston ans MIT ansteht, ist sich Burkett immer noch nicht sicher, ob sein Team schaffen wird, was es sich vorgenommen hat. Aber im Grunde ist ihm das beinahe egal: „Es geht mir nicht darum, dass wir irgendetwas gewinnen“, sagt der Molekularbiologe. „Das Labor ist ein Platz zum Spielen und zum Lernen von Dingen, und es ist eine fröhliche, manchmal eine herausfordernde, aber auch eine wirklich erfüllende Umgebung.“ Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen Enttäuschung, wenn wieder etwas nicht funktioniert hat, und Jubeln über einen Erfolg.
Am Vorabend der Abreise gehen wir noch einmal ins Labor und verabschieden uns von Bernadette. Sie erzählt uns freudestrahlend, dass das Experiment funktioniert hat. Sie haben Escherichia coli so umprogrammiert,
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