Biohacking - Gentechnik aus der Garage
gefangen. Sie ist Teil eines Teams, das für das Community College of Baltimore County am iGEM-Wettbewerb teilnimmt, den das Massachusetts Institute of Technology (MIT) seit 2004 jährlich Anfang November veranstaltet. Ziel der Organisatoren ist es, einen neuen, von Ingenieursdenken getriebenen Zweig der Lebenswissenschaften voranzubringen: die Synthetische Biologie.
Eigentlich richtet sich iGEM (international Genetic Engineered Machine) vor allem an Studenten. Die sollen einen Sommer lang ihrer Phantasie freien Lauf lassen und versuchen, einen Organismus wie das Darmbakterium Escherichia coli (kurz E. coli genannt) gentechnisch so umzuprogrammieren, dass er tut, was die Jungforscher wollen. Zum Beispiel auf ein chemisches Kommando hin Gasbläschen produzieren, sodass die Bakterien wie mit Schwimmflügeln ausgestattet an die Oberfläche der Kulturflüssigkeit steigen und abgefischt werden können. Oder Bierhefe mit Genen versehen, die die Maß außer nach Hopfen und Malz auch nach Zitrone schmecken oder sie fluoreszieren lassen. Oder Bakterien zu mikrobiellen Spürhunden umfunktionieren, die anschlagen, wenn Fleisch nicht mehr genießbar ist.
Das sind nur ein paar von mittlerweile 785 Projekten, die iGEM-Teams seit 2004 verfolgt haben. Fast alle klingen in ihrer Beschreibung jeweils nach einem unmöglichen Unterfangen für Studenten, die erst ein paar Grundlagenvorlesungen gehört und oft noch nicht einmal erste Laborpraktika gemacht haben. Das dachten anfangs auch viele Kritiker, und tatsächlich können – ganz wie in der Profi-Forschung – nicht alle Ideen umgesetzt werden.
Doch erstaunlich viele der Bakterien-Maschinen funktionieren letztendlich. Mittlerweile nehmen so viele Teams aus aller Welt an dem Wettbewerb teil, dass 2010 der größte Hörsaal des MIT aus allen Nähten platzte und seit 2011 regionale Vorentscheidungen in Europa/Afrika, Asien, Lateinamerika und für Nordamerikas West- sowie Ostküste ausgetragen werden müssen. Zu gewinnen gibt es keinen echten „Gem“, also Edelstein, sondern den Goldenen „Bio-Brick“. Dieser schuhkartongroße Legostein aus Aluminium steht sinnbildlich für das, womit der iGEM-Erfinder und Soft- und Hardware-Ingenieur Tom Knight und seine Mitstreiter vom MIT aus Biologie „synthetische Biologie“ machen wollen: das Neukombinieren von genetischem Code – so modular und einfach wie das spielerische Bauen mit Legosteinen.
Tatsächlich ist genau das mittlerweile bei Bakterien einfach genug für Erstsemester-Studenten und Leute wie Bernadette Gallagher. Damit ist der iGEM-Wettbewerb nicht nur zu einem Motor der vom Ingenieursgeist inspirierten synthetischen Biologie geworden, sondern auch zu einer der wichtigsten Triebfedern der Biohacker-Bewegung.
Als wir im Herbst 2010 nach Baltimore reisen, wissen wir noch nichts von Bernadette, der Lehrerin. Wir haben lediglich auf der iGEM-Website gelesen, dass es dort ein Team „aus Hobbyisten“ gibt – bislang selten bei dem Wettbewerb. Das hat uns neugierig gemacht auf die Verbindung von Amateur- und akademischer Welt, die der iGEM-Wettbewerb zu eröffnen scheint.
Das College, wo jene Hobbyisten Gen-Lego spielen sollen, liegt auf einem Hügel mit Blick auf die im Nordosten liegende Stadt. Wir merken sofort, dass es sich hier nicht um eine der Elite-Universitäten vom Schlage Harvard, Yale oder Berkeley handelt, sondern um das ganz reale Bildungs-Amerika. Frisch gestrichen ist hier nichts. Stattdessen bröckelt klischeehaft der Putz. Riesige moderne Laborgebäude, aus denen Nobelpreisträger zum vor der Tür wartenden Taxi eilen, sind auch nirgends zu sehen. Dafür eine Menge Studenten, jung und nicht mehr ganz so jung.
Community Colleges sind je nach Ort und Ausrichtung eine Mischung aus berufsbildender Fachhochschule, Vor-Universität und ein bisschen Fortbildungs-Volkshochschule der ernsthafteren Art. Sie haben meist eher wenig Geld und sonstige Mittel, und wer es sich leisten kann, studiert normalerweise lieber anderswo. Doch sie sind fest verwurzelt in ihren Gemeinden und Regionen, denn ein Großteil der normalen Leute der Gegend hat sie irgendwann einmal besucht.
Wir stellen unser Mietauto ab und suchen das Labor, wo uns Thomas Burkett, Direktor des Biotechnologie-Fachbereichs, der sich aber gleich als Tom vorstellt, mit seinem iGEM-Team erwartet. Ein paar seiner Studenten hatten ihn Monate zuvor angesprochen und er hatte sich sofort bereit erklärt, mitzumachen.
Auch das ist eine Besonderheit des
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