Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Mitstreiter inzwischen gegeben. „Wer hier mit seiner 14-jährigen Tochter gentechnische Experimente gemacht hat, ist am Ende nicht mehr ganz so ängstlich“, sagt Jorgensen. Ihr Hackerspace ist damit auch zu einer Bildungseinrichtung geworden und füllt eine Lücke, die die meisten großen Forschungsinstitutionen bislang eher vernachlässigen. Er ist aber auch ein Ort, wo wirklich gehackt werden kann.
Ausgestattet mit den Hinterlassenschaften aus dem geschlossenen Labor von Vektor Research, läuft zum Zeitpunkt unseres Besuches in Brooklyn bereits eine ganze Reihe von Experimenten.
Ein Angestellter von Google etwa kommt an Wochenenden und nächtens, um Bonsai-Bäume zu züchten, die nach Pfefferminz duften oder ungewöhnliche Farben haben. Jorgensen selbst hat sich vorgenommen, Genprofile von Pflanzen in der Tundra Alaskas zu sammeln. Dazu überprüft sie eine Art genetischen Fingerabdruck der gefundenen Gewächse, der auch als „genetischer Strichcode“ bezeichnet wird. Denkt man solche Ansätze weiter, hat man schnell eine Zukunft vor sich, in der viele einzelne Amateurforscher per Crowdsourcing molekulare Daten aus der Natur sammeln und vielleicht auch selber analysieren könnten. Es wäre die bislang modernste Version jener Bürgerwissenschaft, deren Anfänge Jahrhunderte zurückliegen (siehe Kapitel 5). Sie würden die Daten aus Interesse und Engagement für ein größeres Projekt sammeln und weitergeben, vielleicht an einen Uni-Forscher, der selber finanziell und zeitlich niemals diesen Aufwand zu treiben in der Lage wäre.
Ein paar Schritte weiter arbeitet Genspace-Mitgründer Oliver Medvedik mit ähnlicher Technik wie Jorgensen an einem Experiment, mitdem er Bakterien bestimmen will, die – so ist er überzeugt – in der dünnen Luft der Stratosphäre leben. Dafür bastelt er handballgroße Experimentierkammern, die er an deutlich größere heliumgefüllte Ballons binden und in 30 bis 32 Kilometer Höhe aufsteigen lassen will. Dort soll sich die Kammer kurz öffnen und Bakterien aus der umgebenden Luft einfangen, deren genetisches Profil dann mithilfe eines Kollegen an der Cornell University ausgelesen werden könnte.
Solche Experimente sind alles andere als absurde Phantasien von Möchtegern-Astronauten. Erst 2009 fanden indische Forscher in Höhen von 20 bis 40 Kilometern tatsächlich drei neue Arten von Bakterien, die mit besonderer Resistenz gegen UV-Strahlung offenbar an die harschen Bedingungen am Rande der Atmosphäre angepasst sind. 9 Mit Medvediks Technik könnten Hunderte von Hobby-Forschern nach Bakterien suchen, die am Rande des Weltalls herumfliegen. Der Lebensraum dort oben ist jedenfalls größer als die Tiefsee, ein paar mehr und geographisch verstreute Ballon-Expeditionen können da sicher nicht schaden.
Als wir Genspace besuchen, hat Medvedik allerdings keine Zeit für seine Strato-Box. Im Labor steht der Einführungskurs in synthetischer Biologie an, den er leitet. „Ich stelle gerade die Zutaten zusammen, die wir später in dem Kurs brauchen werden“, sagt Oliver. Er hat so viel Routine im Pipettieren, dass ihn ein Gespräch nebenher nicht abzulenken scheint. Das ist eine hohe Kunst, wie wir später bei unseren ersten eigenen Versuchen erkennen werden.
„Die Kursteilnehmer sollen einen genetischen Schaltkreis konstruieren“, sagt Oliver, und es klingt so selbstverständlich wie die einfachste Elektrobastelei einst im Werkunterricht. Der Schaltkreis seiner Kursteilnehmer allerdings wird sich auf den Chromosomen lebender Bakterien befinden. Die Glühlampe aus dem Werkunterricht ist in diesem Versuch ein Gen, den Schalter stellt ein Erbgutabschnitt vor dem Gen dar und den Finger, der den Schalter bedient, irgendeine Substanz, die von außen der Mikrobennährlösung beigegeben wird. Durch sie wird das Gen angeschaltet und das Bakterium zum Beispiel dazu gebracht, im Dunkeln zu leuchten. Das ist die einfache Variante. Es geht auch mit mehreren Schaltern und mehreren Genen, die sich gegenseitig an- und wieder ausknipsen, sodass die Mikroben periodisch leuchten, und so weiter.
Medvedik ist ein gutes Beispiel für den Großteil der sogenannten „Amateurbiologen“, die sich von der DIY-Biologie angezogen fühlen. Denn wie viele andere, die in dem Feld Beachtung finden, ist er überhaupt kein Amateur. Er ist Molekularbiologe, hat einige Jahre an der Harvard University gearbeitet und gehört mittlerweile der Fakultät der Cornell University an.
Warum er denn dann nicht in
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