Biohacking - Gentechnik aus der Garage
„Wir sind eigentlich viel zu beschäftigt, um nervös zu sein“, versucht er sich und das Team zu beruhigen.
Wir lassen die Baltimore-Truppe in Ruhe und suchen derweil das – im verwinkelten Stata Center – schwer zu findende Büro von Tom Knight, dem Erfinder und Gründer des iGEM-Festivals. Wir finden den Professor mit dem markanten weißen Kinnbart hinter Türmen von Büchern, Ordnern und Loseblattsammlungen, Stapeln aus Hunderten, Tausenden Artikeln aus wissenschaftlichen Fachmagazinen. Obgleich Computerwissenschaftler, scheint er vom papierlosen Büro nicht viel zu halten. Und wir wissen jetzt auch, warum er eine seiner wichtigsten und einflussreichsten Ingenieursleistungen seinerzeit Chaosnet nannte.
Knight ist MIT-Urgestein, mit 14 Jahren begann er als junger Überflieger neben der Schule auf dem Campus abzuhängen – also Kurse zu besuchen und im Sommer in Labors zu arbeiten. Dann studierte er und war bald Mitglied der Fakultät. Er war maßgeblich an der Entwicklung des Internet-Vorläufers ARPANET beteiligt. Er entwarf und programmierte diverse Computerbetriebssysteme und Netzwerk-Codes, darunter auch die Software-Fundamente des Ethernet,der noch heute allgegenwärtigen Technologie der verkabelten lokalen Computernetzwerke. Er hält ein paar nicht ganz unlukrative Patente. Kurz: Tom Knight ist eine Legende. Von der Statur, Haarfarbe und Stimmlage her erinnert er aber eher an einen gutmütigen Eisbären.
Ein Computermann par excellence, hat er über 40 Jahre lang aus der Silizium-Technologie herausgeholt, was herauszuholen war. Doch jetzt sieht er das Ende der Fahnenstange. „Die Technologie wird sich höchstens noch um den Faktor zwei bis vier verbessern lassen, mehr nicht“, sagt er. Moore’s Gesetz, das seit über 40 Jahren ziemlich verlässlich gilt und eine Verdoppelung der Schaltkreise und Rechenkapazität pro Computerchip alle anderthalb bis zwei Jahre vorhersagt, ist demnach nur noch ein Gesetz der Vergangenheit. Und schuld ist das, was Knight eigentlich als Ingenieur so liebt, weil es meist Eindeutigkeit, Verlässlich, Messbarkeit, Rekonstruierbarkeit bedeutet: die Physik. „Das Problem ist im Grunde, dass wir Physik verwenden, um Atome dorthin zu tun, wo wir sie haben wollen, das ist aber nicht präzise genug.“
Im Gegensatz zur mathematisch immer irgendwie beschreibbaren Physik war dem Ingenieur und Bastler Tom Knight Biologie immer suspekt. Sie war zu kompliziert, zu komplex. Knight erzählt, um zu verdeutlichen, was er meint, gern Witze: „Kennen Sie die Geschichte von dem Biologen und dem Ingenieur, die beide morgens ins Labor kommen und an ihrem über Nacht gelaufenen Experiment feststellen, dass das System, das sie untersuchen, doppelt so kompliziert ist wie ursprünglich angenommen? Der Biologe sagt: Klasse, ich schreibe einen Artikel darüber. Und der Ingenieur sagt: Mist, wie kann ich diese zusätzliche Komplexität loswerden?“
Knight sagt, dass er eindeutig auf der Seite des Ingenieurs ist.
Der Mensch Tom Knight ist derselbe geblieben, seit er am MIT anfing: ein Bastler, der leistungsfähige und sinnvolle Sachen basteln will, aber auf die einfachste, die Funktion garantierende Art und Weise. Seine Einstellung zur Biologie aber hat sich geändert. Oder eher: Er will die Biologie selbst ändern, auf eine Weise, dass sie letztlich seinen Ingenieursansprüchen genügt. Trotzdem spricht er weiter von Mikroelektronik, einer biologischen allerdings. Er will neue Techniken verwenden, um „Atome genau dort in einem Molekül zu positionieren, wo man sie haben will“. Die ausgeklügeltste Technik dafür ist aus seiner Sicht die Biochemie. „Wenn man wirklich an eine Elektronik in molekularen Dimensionen glaubt, dann führt das natürlicherweise in die Biochemie als Technologie der Wahl, denn es gibt schlicht keine alternative Technologie, die eine so präzise Kontrolle über das Platzieren von Atomen ermöglicht.“ Den nötigen molekularen Lötkolben glaubt Knight auch längst gefunden zu haben: die Ribosomen, jene molekularen Maschinen, die in Zellen anhand der Geninformationen Proteine zusammenbauen:
„Ribosomen sind das beeindruckendste Stück Produktionstechnik, das wir haben. Sie machen Dinge. Die ganze Biologie dreht sich um das Machen von Dingen. Es ist eine Fertigungstechnologie, und ich glaube, dass Biologie die wichtigste Fertigungstechnologie dieses Jahrhunderts werden wird“, sagt Knight.
Der Gedanke, dass Biomoleküle, die in ihrem Zusammenwirken
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