Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Ergebnisse wie eine Rosenblüte, den Tanz der Honigbiene oder das Gehirn von Tom Knight hervorbringen können, auch so vergleichsweise einfache Aufgaben wie das Bauen eines elektronischen Chips bewältigen sollten, ist für Tom Knight einfach nur logisch. Man muss sie nur dazu bringen, und weil bisher schlicht die Komplexität im Wege stand, muss man eben diese Komplexität reduzieren. Dafür muss man zunächst verstehen, was eine Zelle unbedingt braucht und was nicht, erst dann kann man möglicherweise selber Modul für Modul Leben nachbauen, synthetisieren.
Tatsächlich verdient das, woran Knight, der Genom-Guru Craig Venter und ein paar andere derzeit arbeiten, erst seit Beginn des Jahrzehnts wirklich den Namen „synthetische Biologie“. Die Bezeichnung „reduzierte Biologie“ jedenfalls passte lange Zeit besser.
Der bis heute einfachste bekannte natürliche Organismus ist das Bakterium Mycoplasma genitalium mit seinen je nach Variante rund 500 Genen. Aber es geht noch einfacher. Der Vergleich mit der entwicklungsgeschichtlich weit entfernten Mikroben-Art Haemophilus influenzae zeigt, dass die beiden Einzeller nur 256 Gene gemeinsam haben. Viele davon finden sich auch im menschlichen Erbgut. Dieser kleinste gemeinsame genetische Nenner könnte das Erbe eines gemeinsamen Vorfahren sein. Das Minimum, die Essenz des Lebens, ist damit aber noch nicht erreicht, denn selbst unter diesen 256 Genengibt es wahrscheinlich noch Redundanzen. Kennt man die Funktion der Gene, kann man zumindest auf dem Papier eines nach dem anderen streichen, bis nur noch 46 übrig bleiben, die theoretisch zum Betrieb einer extrem einfachen Mikrobe reichen sollten.
In der Praxis lassen sich Gene nicht einfach löschen. Man muss sie mit den Werkzeugen der Gentechnik aus dem Erbgut herausschneiden. Auf der Suche nach der genetischen Minimalausstattung hat ein Team um den Biotech-Pionier Craig Venter 2005 damit angefangen, eine Erbanlage nach der anderen aus dem Genom von Mycoplasma genitalium zu amputieren. Etwa 100 Streichkandidaten fanden die Forscher. Auf dieser Grundlage beantragte Venters Forschungsinstitut im Oktober 2006 die exklusiven kommerziellen Verwertungsrechte für einen synthetischen Organismus. Die Patentschrift beschreibt, wie Mikroben mit Minimalgenom durch ein paar zusätzliche Gene in mikroskopische Fabriken verwandelt werden, die Arzneimittel genauso herstellen können sollen wie Biotreibstoff. Der bislang – soweit man weiß – nur auf dem Papier existente Organismus Mycoplasma laboratorium würde so das biochemische Chassis stellen, das durch zusätzliche Gene auf einen speziellen Zweck hin getrimmt wird. Kritiker, die fürchten, dass Venter durch ein Patent zu einem Monopolisten werden könnte, nennen den Minimalorganismus „Synthia“ oder einfach nur „Syn“. Das klingt gesprochen wie das englische Wort für Sünde.
Seither nähern sich Venter und sein Team dem Kunstorganismus mit minimiertem Genom in vorhersehbaren Schritten: 2007 gelang es ihnen, das Genom eines Bakteriums vollständig in die Hülle eines anderen, verwandten Bakteriums zu übertragen. Nach der geglückten Genom-Transplantation machte Venter 2008 wieder von sich reden, als er ein Basen-Baustein für Basen-Baustein vollständig künstlich nachgebautes Genom von Mycoplasma genitalium präsentierte. 2010 gelang den Zell-Konstrukteuren dann der nächste logische Weiterentwicklungsschritt. Sie transplantierten ein aus jenen Genen, die für ein Bakterienleben nötig sind, völlig neu zusammengebautes Genom in eine genfreie Mikrobenhülle. Und sie brachten diese Lebensschöpfung aus Menschenhand dazu, sich zu vermehren. „Wir betrachten Gene als Software“, kommentierte Craig Venter seine Schöpfung, „der Rest der Zelle ist die Hardware“. Demnach hat sein Team einer Mikrobe einfach ein neues Betriebssystem verpasst. Mit diesem soll sie künftig das machen, was der Mensch will, die Anweisungen dafür sind ihr per genetischer Software einprogrammiert.
Im Prinzip ist Venter damit tatsächlich als Erstem seit sehr langer Zeit (Genesis 1,20: „Und dann sprach Gott: Das Wasser wimmele von lebendigen Wesen ...“) die Verwandlung von toter Materie – chemischen Bausteinen – in eine zwar primitive, aber doch lebendige Kreatur gelungen. Venter streitet aber ab, Gott zu spielen, und auch den Namen eines Dr. Frankenstein will er nicht annehmen. Er sagt: „Wir schaffen Leben nicht von Grund auf neu. Wir nehmen das Material des Lebens, die
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