Biohacking - Gentechnik aus der Garage
wollen wir jetzt abholen. Das „Amp“ steht für „amplifizieren“, vervielfältigen. Der GeneAmp ist also eine Maschine, mit der man Gene kopieren und vervielfältigen kann, und damit nicht unbedingt die Art von Handelsware, für die man in einer Siedlung am Dorfrand irgendwo in der norddeutschen Pampa ein Geschäft erwarten würde. Mehrfamilienhäuser, drei Etagen hoch, auf den Grünstreifen davor hängt Wäsche auf der Leine. Straße und Hausnummer gefunden. Eine Amsel singt, sonst ist nur ein wenig Wind in den Blättern der Birken zu hören. Und, als wir sie drücken, die Klingel.
Unsere Reisen in Sachen Heimwerker-Biotech führen uns immer wieder an merkwürdige Orte – von mit Papierstapeln fast komplettausgefüllten Professoren-Büros über leicht siffige Hackerbuden bis hin zu abgedunkelten Vorstadthäusern mit zum Hightech-Labor umfunktionierter Garage. Aber diese Wohnung sticht noch einmal heraus. Sie ist eher Höhle als Heim: drei Zimmer, von denen nur eines erkennbar bewohnt ist, die zwei anderen sind Warenlager. In allen Räumen ist es düster, die Luft schmeckt verbraucht. Wir werden froh sein, wenn wir gleich wieder draußen sind. Das Eisenbienchen ist ein Mann um die 30, die langen, dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Seine Nebenerwerbs-Geschäftsadresse heißt Internet, Ebay, eisenbienchen1elf. Er handelt mit Trödel, unter dem sich auch jene Kopiermaschine für Erbgut befindet.
Vor 20 Jahren, als solche Modelle ziemlich neu auf dem Markt waren, hätte man damit gleich mehrere Labore voller Biologen neidisch machen oder sie gegen ein Einfamilienhaus hier im Dorf eintauschen können. Damals zählte die Maschine zum Besten, was man sich zu diesem Zweck anschaffen konnte. Heute ist sie Sperrmüll. Dort jedenfalls will sie unser Verkäufer, der an einer Universität arbeitet, gefunden haben. Er erzählt, wie die Arbeitsgruppe, in der er forscht, selbst mitunter Laborutensilien bei Ebay kauft: „Das machen inzwischen viele Gruppen so, die keine Millionenzuschüsse bekommen, es gibt sogar Händler, die Gebrauchtgeräte mit Garantie anbieten.“
Was wir mit dem GeneAmp vorhaben, interessiert ihn nicht. Er fragt auch nicht, ob wir an einem Institut arbeiten oder in einem Unternehmen. Stattdessen bietet er uns weitere nützliche Laborutensilien an. Ob wir zum Beispiel noch einen zweiten Gen-Kopierer haben wollen, einen kleineren? Nein, danke. Einen Magneten? Wir wüssten nicht, wofür. Ein Netzteil können wir allerdings gut gebrauchen – speziell dieses, bei dem man Spannung und Stromstärke fein justieren kann, um einige der anderen Laborgeräte mit Strom zu versorgen. Eine Zentrifuge hat er leider nicht, die fehlt uns noch.
Den Genkopierer – es ist ein grauer Kasten mit wenigen Tasten, der fast so schwer ist wie eine Waschmaschine, aber nicht einmal halb so groß – wuchten wir zu zweit mit einiger Mühe ins Auto. Das Netzgerät kommt daneben, Gebrauchsanleitungen hat der Verkäufer leider für keines der Geräte. Aber nach einer Weile Sucherei findet er zumindest noch ein passendes Stromkabel für den Genkopierer.
Wir zahlen ihm insgesamt 320 Euro und machen uns auf, zurück nach Berlin, mit dem GeneAmp über die Autobahn. Mit ihm als Herzstück wollen wir endlich unser Labor einrichten. Er ist nur einer von vielen Ausrüstungsgegenständen, die wir beschaffen müssen, bevor wir überhaupt versuchen können zu biohacken.
Für die Umsetzung unseres Vorhabens haben wir uns drei Regeln auferlegt:
1. Keine Lügen.
2. Wir bringen nichts und niemanden in Gefahr.
3. Wir machen nichts, von dem wir wissen, dass es verboten ist.
Wir wollen mit legalen Mitteln versuchen, so weit zu kommen, wie es in Deutschland nur geht. Wir wollen unser Labor sicher und gesetzeskonform ausstatten und ausloten, was ein neugieriger Biohacker in Deutschland anstellen könnte, ohne einen Gefängnisaufenthalt zu riskieren. Darüber hinaus wollen wir aber auch herausfinden, was jemand, der anders als wir mit krimineller Energie an ein solches Projekt ginge, an Zutaten organisieren könnte.
Eine Ecke in einem Berliner Gemeinschaftsbüro, in dem Sascha als selbstständiger Journalist arbeitet, funktionieren wir zu unserem Labor um. Wir haben seine Kollegen von unserem Vorhaben informiert, erklärt, was wir machen werden, und sie grob auf das vorbereitet, was sie in den nächsten Wochen zu sehen und zu hören bekommen werden: offene Flammen aus einem Gaskocher, brummende Maschinen, uns in
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