Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Und immer wieder drängte sich uns der Eindruck auf, dass dort die Bedeutung eines Forschers in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu dem Platz steht, den er in seinem Büro hat. Tom Knight war da keine Ausnahme. Aber wenn diese aus Erfahrung gewonnene Regel wirklich stimmen würde, dann müsste einem anderen Tom der Anruf aus Stockholm vom Nobel-Komitee ganz unmittelbar bevorstehen, denn Tom Burkett hat am Community College of Baltimore County vielleicht gerade einmal sechs Quadratmeter in seiner fensterlosen Denkzelle zur Verfügung. Die Realität sieht für ihn allerdings anders aus. Er hat seine iGEM-Aktivitäten inzwischen sogar einstellen müssen. Die Institutsleitung hatte kein Interesse mehr an den außerlehrplanmäßigen Spielereien in seinem Labor.
Doch auch Burkett hat, ähnlich wie Bernadette es in der heißen Phase der iGEM-Vorbereitungen formulierte, Feuer gefangen, er ist „hooked“. Was wir von DIY-Biologen, auch solchen mit professioneller Ausbildung, immer wieder hören, sind Worte der Begeisterung für das unabhängige, nicht auf das Plazet von Chefs, Geldgebern und Kommissionen angewiesene Arbeiten. Für Burkett bedeutete das schlicht, dass er auf die Entscheidung der Institutsleitung mit einem Schulterzucken reagierte und zusammen mit Gleichgesinnten einen Biohackerspace gründete. Der heißt BUGSS, was für Baltimore Under Ground Science Space steht.
Die Idee für die Abkürzung und das Wortspiel mit dem englischen Ausdruck für Mikroben (bugs) und dem geheimnisvollen Untergrund (underground) stammt ausgerechnet von einem der FBI-Beamten, die die Biohacker-Bewegung beobachten (siehe Kapitel 8). 50 Leute zählte Burkett bei der Eröffnung im Oktober 2012. In dem 250 Quadratmeter großen Raum in einem alten Backstein-Lagerhaus will er nun Kurse und Projekte anbieten. Interesse scheint eslaut Burkett sowohl von Privatleuten auf der Suche nach einem coolen Hobby als auch von Institutionen zu geben. „Wir hatten schon eine Reihe von Anfragen von High- und Middleschool-Lehrern, die mit ihren Schülern kommen wollen.“
Anders als die Biohacker in New York und anderswo, die sich meist über Mitgliedsbeiträge finanzieren, wird BUGSS von einer Firma unterstützt, die Burkett selbst gegründet hat. Sie soll molekularbiologisches Lehrmaterial für Schulen und Laien produzieren, also eine Art Gentechnik-Variante des alten Chemiebaukastens. Dafür hat Burkett Unterstützung von der National Science Foundation bekommen und ist nicht zuletzt deshalb finanziell in der Lage, der Non-Profit-Organisation BUGSS Räumlichkeiten und Laborausrüstung zur Verfügung zu stellen. BUGSS kann so zunächst für ein Jahr, vielleicht sogar länger, auf Mitgliedsbeiträge verzichten. Burkett hofft, dass die Firma langfristig eine Quelle für Reagenzien und Nachschub für die DIY-Bio-Bewegung werden kann. Denn noch halten sich die meisten Biohacker lange damit auf, das nötige Equipment und die wichtigsten Chemikalien für die Experimente zu organisieren oder billige Alternativen zu finden. „In den 1970er Jahren waren es auch Firmen wie New England Biolabs, die Forschern erst richtig ermöglicht haben, Molekularbiologie zu betreiben, weil sie nicht mehr länger selbst die für die Experimente nötigen Enzyme herstellen und aufreinigen mussten“, sagt Burkett.
Burkett und seine einstigen iGEM-Mitspieler verkörpern ein paar der Prototypen, die sich heute in der DIY-Biologie-Bewegung tummeln. Da sind Leute wie Miles, die allein und privat, aber online mit Gleichgesinnten vernetzt, an Dingen basteln, die sie interessieren, ob aus purer Lust und Laune oder mit großer Forschungs- oder Geschäftsidee im Kopf. Da sind Leute wie Tom Burkett selbst, die gemeinschaftliche Hackerspaces aufziehen, ob aus purer Lust und Laune oder aus einem basisdemokratischen bildungspolitischen Sendungsbewusstsein heraus. Und da sind Leute wie Bernadette – auch sie will bei BUGSS mitmachen –, die, jung oder nicht mehr ganz so jung, neben Beruf und Familie angefixt sind von den Möglichkeiten eines neuen Hobbys. Aus purer Lust und Laune. Sie alle zusammen zeigen auch, dass Biohacking und DIY-Biologie nicht mehr nur im Schatten oder Windschatten der Elite-Unis stattfindet. Und Burkett und sein BUGSS sind auch das beste Beispiel dafür, woher die Impulse der DIY-Biologie zwar noch längst nicht mehrheitlich, aber doch zunehmend kommen: von echten Amateuren. Schließlich waren es seine Studenten, inklusive einer Lehrerin für englische
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