Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Gefühl, als würden sie die Molekülabschnitte mit den Erbinformationen wie Legosteine zusammensetzen und auseinandernehmen oder Programmcode per Computerkonsole umschreiben können. Es heißt, sie lesen die Abfolge der genetischen Bausteine, sie schneiden Stückchen aus dem Erbgut heraus, sie kopieren Genabschnitte oder kleben sie an andere. Sie bauen neue Gene in das Erbgut einer Zelle ein. Das klingt so mechanisch wie spielerisch, und nicht besonders abstrakt.
Aber was passiert in Genanalyse und Gentechnik wirklich? Niemand hantiert tatsächlich mit einem einzelnen Gen. Denn dazu müsste er oder sie den physischen Umgang mit einzelnen Molekülen beherrschen. Selbst bei einem so großen Molekül wie unserer DNA ist das schwierig und krude, für präzise Eingriffe in einzelne ihrer Abschnitte ist es unmöglich. Stattdessen arbeiten Gen-Ingenieure immer mit Millionen identischer Kopien ein und desselben Erbgutmoleküls. Was sie auf ihren Gelen sehen, sind keine einzelnen Gene, sondern nur Signale für das Vorhandensein solcher Unmengen baugleicher Erbgutabschnitte. Um diese aus dem Erbgut von ein paar Zellen der Mundschleimhaut oder eines Fisch-Filetstücks herzustellen, brauchen sie die PCR-Methode. Sie schafft es, einen genau definierten Abschnitt aus dem Erbgut herauszukopieren. So oft, dass schließlich genug davon vorhanden ist, um das Gen analysieren oder manipulieren zu können.
Die PCR ahmt im Grunde den natürlichen Vorgang nach, der vor jeder Zellteilung abläuft. Bevor sich eine Zelle teilen kann, muss sie ihr Erbgut verdoppeln. Das Erbmolekül besteht aus langen Abfolgen von immer gleichen Genbausteinen (Nukleotiden), die sich nur in den vier Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) unterscheiden. Weil die Nukleotide die Fähigkeit besitzen, paarweise aneinander zu binden (A mit T und C mit G), fügen sich immer die zwei komplementären Einzelstränge zur berühmten Doppelhelix zusammen. Um das Erbgut kopieren zu können, muss die Zelle dendoppelten Erbgutfaden in seine beiden Einzelstränge entwinden und hat dann jeweils zwei Vorlagen, um jeweils eine Kopie anzufertigen.
Wenn man ein Ergebnis der Evolution als „genial“ bezeichnen dürfte – die DNA und ihr Code wären es. Sie braucht gerade einmal vier Buchstaben für eine Schrift, in der sich die genaue Bau- und Wartungsanleitung eines Seepferdchens genauso schreiben lässt wie die für ein Virus oder für Dieter Bohlen. Und diese Schrift ist gleichzeitig der wichtigste Teil eines zuverlässigen Kopierers ihrer selbst.
Beim Kopiervorgang hilft in der Zelle ein Enzym namens Polymerase. Im Labor läuft es im Grunde genauso. Damit das Enzym im Reagenzglas nicht alle Gene kopiert, sondern nur den Abschnitt von Interesse, den dafür aber millionenfach, muss man den Platz markieren, an dem es mit dem Kopieren anfangen und wo es aufhören soll. Dazu fabriziert man kurze Stücke künstlicher DNA, sogenannte „Primer“, die komplementär zum Anfang und Ende des Erbgutabschnittes passen, der kopiert werden soll. Die Primer finden im Reaktionsgefäß sicher ihr Gegenstück, lagern sich daran an, und die Polymerase nutzt sie als Startpunkt für ihre Kopiertätigkeit. Dadurch entsteht ein neuer Doppelstrang des Gens. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen, die sich auf die Herstellung künstlicher DNA spezialisiert haben und solche Primer herstellen und verschicken. Man bestellt die maßgeschneiderten Moleküle einfach über das Internet und bekommt sie drei Tage später geliefert, zusammen mit einer Rechnung von etwa zehn Euro pro Primer.
Die PCR-Reaktion beginnt damit, dass man das Gemisch aus allen Zutaten für ein paar Sekunden auf etwa 95 Grad Celsius erhitzt. Das sorgt dafür, dass sich die beiden Stränge voneinander trennen. Dann fährt der Genkopierer die Temperatur auf etwa 65 Grad herunter, was den Primern ermöglicht, an die passenden Stellen zu binden. Das ist das Startsignal für die Polymerase, sie fängt mit ihrer Kopierarbeit an und koppelt freie DNA-Bausteine – die man zuvor natürlich im Fachhandel einkaufen und in die Reaktionsgefäße geben muss – Stück für Stück hinter den Primer. Welcher Baustein gerade an der Reihe ist, kann das Kopierenzym von dem als Vorlage dienenden Einzelstrang ablesen. Erkennt sie dort also einen DNA-Baustein mit einem Adenin (A), fügt sie einen Baustein mit Thymin ein. Stößt diemolekulare Kopiermaschine in der Vorlage auf Cytosin, schnappt sie einen DNA-Baustein mit Guanin aus
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