Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Reaktionstemperaturen an der PCR-Maschine ein wenig verändern? Es ist ein bisschen wie kreatives Kochen, ein kaum wissenschaftlich zu nennendes Herumprobieren, viele Versuche und viele Irrtümer – bis es am Ende schimmert. Unser erster Erfolg lässt über eine Woche auf sich warten. Dann sehen wir – zusammengepfercht im von innen verriegelten Etagenklo – endlich das erhoffte orangefarbene Signal, das multimillionenfach kopierte DNA-Stück aus ein paar Zellen Sushi-Fisch.
Erfolg auf ganzer Linie, der ob des harten Weges hierher umso süßer schmeckt. Um zu erfahren, ob es wirklich Thunfisch war auf unserem Sushi oder stattdessen Buttermakrele, müssen wir jetzt nur noch ein wenig von den kopierten Genen aus der entsprechenden Probe herauslösen und an ein Unternehmen schicken, das sich darauf spezialisiert hat, den Code des Lebens auszulesen. In Sequenzier-Automaten wird dort die Abfolge der genetischen Bausteine Buchstabe für Buchstabe routinemäßig bestimmt. Dann werden wir mit den Daten in einer der vielen Online-Datenbanken für Gene nachschauen, zu welchem Lebewesen dieses Stück Erbgut gehört. Die Kosten für eine solche Entzifferung sind im Laufe der vergangenen zehn Jahre eingebrochen. Ein DNA-Stück aus einer Million Bausteine lässt sich mittlerweile für weniger als einen Dollar lesen. Uns wird die Dienstleistung, die Sequenz unseres etwa 700 Bausteine langen Stücks bestimmen zu lassen, alles in allem 30 bis 40 Euro kosten. Die Unternehmen fragen in solchen Fällen auch nicht speziell nach, wofür man die Sequenz braucht. Schließlich schicken sie einem kein Gen, sondern nur die Gen-Information von etwas, das man ohnehin schon besitzt.
Das Gen aus dem Gel herauszulösen, es in ein kleines Gefäß zu überführen, es gut zu verschließen und dann getrost zur Post zu tragen, sollte im Vergleich zu dem, was wir hinter uns haben, ein Kinderspiel sein. Man muss dafür nur die Stücke des Gels, wo von den verschiedenen DNA-Proben der Speisefischarten die orangefarbenen Striche im blauen Licht schimmern, mit einer Rasierklinge herausschneiden. Die darin enthaltene COX1-Gen-DNA lässt sich mit einem speziellen Lösungsmittelgemisch aus dem Gel holen, darauf folgen ein paar einfache Reinigungsschritte, bis schließlich das Erbgut in einer Form vorliegt, die die Firma unseres Vertrauens dann in ein Gen-Sequenziergerät stecken wird. Ein paar Tage später werden wir eine Rechnung im Briefkasten und ein paar Gensequenzen im Mail-Postfach haben, die entweder zu Thunfisch, Aal, Schnapper, Lachs und Kalmar passen – oder zu einem Skandal.
So dachten wir uns das.
Es hat nicht geklappt. Wie gewonnen, so entronnen im Prozess der „Eluierung“, was auf Deutsch so viel wie Auswaschen bedeutet. Irgendwas ging dabei schief, das Fisch-Gen entfleuchte wahrscheinlich in den Ausguss. Wir konnten uns die 40 Euro sparen – und der ohnehin angeschlagenen deutschen Sushi-Branche vielleicht den Skandal. Für kurze Zeit kehrt der Sarkasmus, begleitet von der „Was-machen-wir-hier-eigentlich“-Frage zurück. Dann nehmen wir uns fest vor, es irgendwann noch einmal zu probieren, doch fürs Erste genügt es uns, zu wissen, dass wir selbst den ersten, wichtigen Schritt geschafft haben, um zu überprüfen, was in unserer Nahrung steckt. Und dass wir die erste Prüfung auf dem Weg, eine veritable DIY-Bio-Clique zu werden, so in etwa mit einer Drei minus bestanden haben. Wir könnten auch ganz andere Sachen testen, etwa, ob in Brot, Müsli oder Keksen vielleicht Zutaten aus gentechnisch verändertem Getreide enthalten sind. Aber wir haben bis hierher schon eine Menge Zeit gebraucht. Und wir haben schließlich noch einiges vor.
Wir wollen zunächst weiter ausloten, was mit unserem Heimlabor sonst noch möglich ist. Wir wollen ausprobieren, ob wir Erbgut manipulieren könnten, also Gentechnik betreiben, der so viele Deutsche misstrauen.
Und wir wollen uns den eigenen Genen zuwenden. In unserem Labor könnten wir, wenn alles klappt, auch Vaterschaftstests machen – die sind, wenn die Mutter nicht zustimmt, illegal laut deutschem Gesetz. Denn mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr kann bestraft werden, wer sich DNA eines Menschen beschafft und analysiert, ohne dessen Einwilligung zu haben, weil er damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Wir müssten auch, ähnlich wie Kay Aull (siehe Kapitel 1), unser eigenes Erbgut auf gesundheitsrelevante Gene untersuchen können. Doch ob wir es nach deutschem
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