Biohacking - Gentechnik aus der Garage
richtig angefangen, da ist schon die Presse da“, erinnert er sich später. Doch man kommt per Skype-Chat ins Gespräch, tastet sich ab. Sascha erzählt Trojok von unseren eigenen Experimenten. Er findet unseren Ansatz dann bald doch ganz interessant. Und wir vereinbaren für Ostern 2011 ein Treffen in Freiburg – zum gemeinsamen Experimentieren.
Berlin–Freiburg. Neun Stunden lang im Auto, vollgeladen mit zwei Kisten Laborzeug. Empfangen werden wir von einem jungen Mann mit langen, zum Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren, Stoppelbart und Brille. Die gängigen Klischees über Biologen erfüllt Rüdiger Trojok auf den ersten Blick zu praktisch 100 Prozent. Er erzählt später auch von seinem Faible für Fantasy, Science Fiction und Rollenspielgruppen sowie Reisen in entlegene, toilettenpapierfreie und mückenverseuchte Regionen des Amazonasgebietes. Doch anders als viele seiner Studienkollegen ist Trojok ein unruhiger Selbermacher, der sich nicht damit begnügt nur nachzukauen, was ihm Professoren an der Uni erzählen. Er hat das theoretische Studium satt, will selbst ausprobieren, was er kann, denn schließlich will er irgendwann einmal eine Firma gründen, selbstständig sein.
Auf die Idee zum Biohacking kommt Trojok, wie schon andere vor ihm, über den internationalen iGEM-Wettbewerb. 2009 ist er im Team der Freiburger Universität mit dabei. „Das war total cool“, gerät er ins Schwärmen. „Zum ersten Mal konnte man als Student eigenständig arbeiten.“ Beim Finale am MIT in Boston trifft der Nachwuchsforscher Hunderte von Studenten mit dem gleichen Enthusiasmus für gentechnisches Tüfteln.
„Schon bevor ich mit dem Studium angefangen habe, wusste ich, dass ich mich irgendwann mal selbstständig machen wollte, und habe schon im ersten Semester Laborgeräte auf Ebay gekauft“, erklärt Trojok. Seine Erfahrungen mit dem iGEM-Wettbewerb hätten ihm Mut gemacht, endlich richtig loszulegen und selbst auszuprobieren, wie nützlich sein theoretisches Wissen tatsächlich ist. „Im Internet habe ich die Website DIYbio.org gefunden und gesehen, dass es schon auf der ganzen Welt Do-It-Yourself-Biologen gibt.“ Und wenn die das können, kann ich das auch, denkt sich Trojok und sucht sich ein Labor zusammen. „Zum Teil habe ich mir die Geräte auf Ebay ersteigert, zum Teil abgestaubt, was die Uni wegwerfen wollte.“ Ein paar Monate später und 1500 Euro ärmer legt er im Frühjahr 2011 mit den ersten Experimenten los. Keine gentechnischen Veränderungen von Bakterien oder anderen lebenden Organismen allerdings. Auch Trojok weiß, dass das, anders als in den USA, in Deutschland außerhalb von Sicherheitslabors verboten ist. Aber erlaubt ist zum Beispiel, aus dem eigenen Speichel ein wenig der eigenen DNA herauszuholen und seinen eigenen genetischen Fingerabdruck im Heimlabor zu nehmen. Und das wollen wir jetzt gemeinsam in seiner Dachkammer versuchen.
Ein paar Stunden nach uns, es ist schon nach Mittag, trudelt Lisa Thalheim in Trojoks Dachwohnung ein. Die brünette Berliner Biohackerin hat das Flugzeug nach Basel und dann die Bahn gen Freiburg genommen. Doch getroffen hatten wir sie schon ein paar Tage vorher in Berlin Prenzlauer Berg, als wir ihre kleine, handliche PCR-Maschine in unser Auto geladen haben. Lisa hat schlicht keine Lust, bei der Gepäckkontrolle am Flughafen angesichts einer etwaigen Frage, was das denn für eine Maschine sei, in Erklärungsnöte zu geraten.
Lisa Thalheim ist Informatik-Studentin, macht ihr Diplom im Fachbereich Bioinformatik an der Berliner Humboldt-Universität. Man kann sie getrost als Computerhackerin bezeichnen, denn sie verdient ihren Lebensunterhalt damit, die Computersysteme von Firmen auf ihre Sicherheit gegenüber Hackerangriffen zu testen. Damit verkörpert sie die Verbindung zwischen den Kulturen der Computer- und Biohacker.
Wer Gelegenheit bekommt, mit der eher stillen Studentin zu reden, weiß schnell, dass er es mit einer hochintelligenten, selbstsicheren, aber alles andere als arroganten Tüftlerin zu tun hat, die gern ihrer eigenen Wege geht. Zwar sprüht sie nach außen hin nicht wie andere Biohacker vor Enthusiasmus. Sie versucht auch nicht, andere von ihrer Idee des „Biotinkering“, wie sie ihre Art des Biohacking lieber nennt und damit eher den Bastel-, Frickel- und Improvisieraspekt betont, zu überzeugen.
Doch sie arbeitet beständig daran, die Bedingungen für das „Bio-Basteln“ zu verbessern. Um uns vor unserer Autobahnfahrt nach
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