Biohacking - Gentechnik aus der Garage
über lange Zeit sicher in diesem Organismus angewandt wurden“. Für die praktische Arbeit eines Biohackers bedeutet das: Wer etwa das Darmbakterium Escherichia coli mit ein paar Genen aus einem anderen Coli-Stamm verändern will, darf dafür sogar Genfähren (Vektoren, also kleine DNA-Ringe oder Viren) verwenden, die auch Erbgutstücke aus anderen Arten als E. coli enthalten. Voraussetzung ist nur, dass diese Genfähren schon „lange Zeit sicher“ eingesetzt worden sind. Was „lange Zeit“ bedeutet, ist allerdings im Gesetz nicht klar formuliert.
Dass solche „Selbstklonierungsexperimente“ rechtens sind, hat die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bereits 2001 festgestellt, anlässlich der Bewertung des „Blue Genes“-Experimentierkastens, der von der Pharmafirma Roche in Deutschland für den Schulunterricht vertrieben wird. 52 Er enthält die Zutaten für ein Experiment, in dem Coli-Darmbakterien des Sicherheitsstamms K12, bei denen ein Gen namens lacz nicht funktioniert, eine intakte Version eben dieses Gens eingebaut wird. Das geschieht auch tatsächlich mit einer gentechnisch veränderten Genfähre. Nach dieser durchaus gentechnischen Manipulation können die Bakterien dann wieder ein Enzym namens Beta-Galaktosidase herstellen und sind in der Lage, einen chemischen Stoff namens „XGal“ in einen blauen Farbstoff umzuwandeln. Wenn die Bakterienkolonien also letztlich blau werden, ist das das Zeichen, dass der gentechnische Versuch funktioniert hat.
„Die Experimente mit dem Blue-Genes-Experimentierkasten bedingen kein gentechnikspezifisches Gefährdungspotenzial“, stellt die ZKBS fest. „Das Vektor-Empfänger-System erfüllt die Anforderungen einer biologischen Sicherheitsmaßnahme. Die mit dem Experimentierkasten durchführbaren Experimente führen nicht zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im Sinne des Gentechnikgesetzes, weil es sich bei diesen Versuchen um eine Selbstklonierung handelt, die nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials gilt. Voraussetzung ist, dass die Versuche in einem geschlossenen System (z. B. geeigneter Experimentierraum) durchgeführt werden und die Freisetzung oder das Inverkehrbringen der erzeugten Organismen nicht vorgesehen sind.“ 53
In einer Stellungnahme speziell zur Cisgenese stellt die ZKBS im Juni 2012 fest, dass „Cisgenese der Selbstklonierung gleicht, denn der resultierende Organismus weist keine fremden Nukleinsäuren mehr auf.“ Es handelt sich demnach bei dem entstehenden Organismus um keinen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) im juristischen Sinne, „solange er ausschließlich im geschlossenen System verwendet wird“. Erst „wenn er für Freisetzungen und/oder Inverkehrbringen genutzt wird“, gilt dies dann als gentechnische Veränderung, und das Gentechnikgesetz greift wieder. 54
Wir haben uns schon lange abgewöhnt, die zugrunde liegende Logik von jedem von Juristen verfassten Stück Papier völlig durchdringen zu wollen. Und warum etwas, ohne dass die Technik selber sich im Geringsten ändert, im Labor keine Gentechnik ist, im Freien aber schon, darauf gibt es nur eine Antwort: Es ist pragmatisch-juristische Auslegungssache.
Unabhängig davon, welche Experimente Biohacker in Deutschland durchführen dürfen und welche nicht – eine bioterroristische Gefahr sieht der ZBS-Vorsitzende Lars Schaade von den Heimwerker-Biologen nicht ausgehen: Zwar sei, „wenn gentechnisch veränderte Organismen unter Bedingungen hergestellt werden, die nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechen, eine akzidentelle Freisetzung nicht gänzlich auszuschließen“. Doch die „Herstellung oder Veränderung vermehrungsfähiger Organismen oder die Expression funktioneller Proteine“ seien bis auf weiteres „noch ein komplexer Vorgang, der nicht ohne weiteres in einer Garage vorgenommen werden kann“. Doch genauso wie FBI-Agent Head will auch Schaade es „nicht völlig ausschließen, dass Missbrauchspotential entstehen könnte – durch DIY-Biologenselbst, aber möglicherweise auch durch andere Personen, die sich die Ergebnisse der DIY-Biologen aneignen“.
Auch die deutsche Politik ist inzwischen auf die Do-It-Yourself-Biologie aufmerksam geworden. So beschäftigt sich das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) seit Ende 2011 mit der Synthetischen Biologie, der damit einhergehenden Vereinfachung gentechnischer
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