Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Gedanken zu machen, betont der Bericht ebenfalls: „Ein einziger Fall, sei es unabsichtlich oder ein unverantwortlicher Akt selbst ohne Gefährdungspotenzial, könnte einen öffentlichen Aufschrei auslösen und die Politik zum Handeln zwingen.“ Das könnte zu Verboten führen und die Entwicklung der Bewegung hemmen. Eine gemeinsame Plattform für Austausch, Transparenz, ein gemeinschaftlicher Code of Conduct und einfach zu befolgende Biosicherheitsregeln schlägt der UN-Bericht vor – Dinge, die deutsche Biohacker schon erwogen, bevor sie sich überhaupt an ihre ersten Experimente gewagt haben.
Wir selber haben uns nach unseren zwei Jahren zwar oft stümperhaften, aber freien Biohackings, nach unzähligen Gesprächen und mit anderen Biohackern ausgetauschten E-Mails und nach sehr viel Nachdenken unsere eigene Meinung gebildet: Ja, es ist richtig und wichtig, Biohackern eine Hand entgegenzustrecken. Outreach-Arbeit von Polizei und Geheimdiensten mit der unverhohlenen Aufforderung, schon bei Verdacht den Hacker an der Laborbank nebenan oder aus dem Hackerforum zu denunzieren, ist aber sicher der falsche Weg.
Es muss auch anders gehen. Warum nicht ein „Outreach“ durch jene, die sowohl die größte Kompetenz auf dem Gebiet haben als auch letztlich verantwortlich dafür sind, dass es DIY-Biologie und Biohacking und die dafür nötigen Techniken heute überhaupt geben kann – die professionellen Wissenschaftler? Wenn schon staatliche Mittel investiert werden sollen, um eine sichere, für die Gesellschaft und die beteiligten Einzelpersonen positive Entwicklung zu ermöglichen und zu fördern, warum nicht durch freiwillige, aber attraktive Mentoring-Programme von Universitäten, Fraunhofer-, Leibniz-, Helmholtz- und Max-Planck-Instituten? Profi-Wissenschaftler könnten am ehesten beurteilen, was in Amateurlabors möglich ist und vielleicht bald möglich sein wird, wenn sie selber Kontakt zu Amateuren hätten. Sie könnten es am besten, wenn dieser Kontakt vertrauens- und respektvoll wäre, vielleicht auch durch eine Art Schweigepflicht gedeckt. Sie könnten sogar profitieren, indem sie echte Talente finden und für die Arbeit im eigenen Uni-Labor gewinnen.
Appelle an das Verantwortungsbewusstsein der Biohacker sind gut, richtig, wichtig. Aber Verantwortung müssen auch andere übernehmen – Staat, Behörden, Wissenschaftler. Sie müssen freie Bürger unterstützen, die nichts anderes tun, als sich etwas anzueignen, was ihnen ohnehin gehört: eine Technologie, deren Entwicklung sie als Steuerzahler weitgehend mitfinanziert haben.
Solche Bürger, die sich solche Freiheit nehmen, gibt es immer mehr, und auch immer mehr von ihnen in Europa. Ein paar davon begegnen wir im nächsten Kapitel.
Kapitel 9 ...
... in dem ein Klo zum Labor, unser Auto zum Wertguttransport und eine Freiburger Dachwohnung zum historischen Ort wird, in dem eine Manga-DIY-Biologin umfällt und der Schauplatz eines Rembrandt-Bildes zum Schauplatz von Biohacking wird, in dem wir nach ein paar Bieren beginnen zu phantasieren, um schließlich unser Labor in ein paar Pappkartons zu verstauen ...
EURO-HACKER UND GERMAN VORSICHT
In wie vielen Dachkammern, Kellern oder Garagen in Deutschland sieht es wohl schon so ähnlich aus wie hier? In einer kaum fünf Quadratmeter großen Kammer seiner Freiburger Studentenbude hat der angehende Diplom-Biologe Rüdiger Trojok sein privates Genlabor aufgebaut. Ein Ikea-Regal an der Wand beherbergt seine Chemikaliensammlung. Der Gerätepark samt Photometer zum Messen von DNA-Konzentrationen – ein exquisites Werkzeug, das selten zu finden ist in Amateurlaboren – lagert auf zwei Tischen, halb unter die Dachschräge des winzigen Labors gequetscht. Es ist so ziemlich alles da, was zum Biohacken nötig ist. Und was noch fehlt, haben wir aus Berlin mitgebracht zum – wie wir unser im Wortsinne experimentelles Treffen spaßhaft nennen – „ersten deutschen Biohack“.
Dass es außer uns wohl noch andere Biohacker in Deutschland geben würde, davon waren wir ausgegangen. Hin und wieder tauchten auch deutsch klingende Namen auf der DIYbio.org-Mailingliste auf, über die sich Biohacker weltweit austauschen. Doch zum ersten Kontakt zu einem anderen deutschen Biohacker verhilft uns der DIYbio.org-Gründer Mac Cowell. Er macht Sascha per E-Mail mit „Rudiger“ aus Freiburg bekannt. Dieser Rüdiger ist erst einmal wenig begeistert, dass Sascha Journalist ist: „Ich hatte mit meinen Experimenten noch nicht einmal
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