Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
spürt, wie auch er ein wenig nervös wird. »Sind Sie sicher, dass das klappen wird?«
Carlyle beißt sich auf die Lippen. »Das werden wir gleich sehen.« Die Rikscha rollt aus und bleibt stehen. Die Weißhemden kreisen sie ein. Carlyle spricht sehr schnell. Reicht ihnen ein Stück Papier. Die Weißhemden beratschlagen einen Moment lang; dann verbeugen sie sich tief und winken die Farang weiter.
»Heilige Scheiße.«
Carlyle lacht, sichtlich erleichtert. »Die richtigen Stempel auf einem Fetzen Papier können Wunder wirken.«
»Erstaunlich, dass Akkarat noch über so großen Einfluss verfügt.«
Carlyle schüttelt den Kopf. »Dazu ist Akkarat nicht in der Lage.«
Sie nähern sich dem Damm, und die Gebäude weichen geduckten
Slums. Die Rikscha macht einen Bogen um Betontrümmer, die von einem Hotel gefallen sind, das noch aus der Zeit vor der Großen Expansion stammt. Früher einmal muss es prachtvoll gewesen sein, denkt Anderson. Terrassen über Terrassen zeichnen sich im Mondschein ab. Doch jetzt drängen sich darauf heruntergekommene Hütten, und die letzten Scherben in den Fensteröffnungen funkeln wie Zähne. Am Fuß des Uferwalls bleibt die Rikscha stehen. Entlang der Treppe, die auf den Deich hinaufführt, halten Naga paarweise Wache. Sie schauen zu, wie Carlyle den Rikschafahrer bezahlt.
»Kommen Sie.« Carlyle geht vor Anderson die Stufen hinauf und streicht dabei mit den Fingern über die Schuppen der Naga. Oben auf dem Deich angekommen, sehen sie die Stadt unter sich liegen. In der Ferne leuchtet der Große Palast. Hohe Mauern umschirmen die Innenhöfe, wo die Kindskönigin mit ihrem Gefolge wohnt, aber die Chedi mit den goldenen Spitzen überragen sie noch und schimmern matt im Mondlicht. Carlyle zupft Anderson am Ärmel. »Nicht trödeln. «
Anderson zögert und wendet sich dem dunklen Küstenstreifen zu. »Wo sind die Weißhemden? Hier müsste es doch nur so von ihnen wimmeln!«
»Keine Sorge. Hier haben sie nichts zu sagen.« Er lacht, wie über einen Witz, den nur er kennt, und duckt sich dann unter den Saisin hindurch, die über den Deich gespannt sind. »Kommen Sie.« Er kraxelt auf der anderen Seite den Geröllhang hinunter. Die Wellen schlagen ans Ufer. Anderson zögert noch immer, schaut sich ein letztes Mal um und folgt ihm dann.
Als sie das Wasser erreichen, taucht wie aus dem Nichts ein Spannfederboot auf und kommt auf sie zugeschossen. Fast wäre Anderson weggerannt, weil er glaubt, das sei eine Patrouille
der Weißhemden, doch Carlyle flüstert: »Das sind unsere Leute.« Sie waten ein Stück hinaus und klettern an Bord. Das Boot wendet scharf, und sie entfernen sich vom Ufer. Das Mondlicht funkelt auf dem Wasser wie ein silberner Teppich. Das einzige Geräusch, das sie hören, stammt von den Wellen, die gegen den Rumpf klatschen, und vom Ticken der Spannfeder. Vor ihnen zeichnet sich plötzlich eine Barke ab, auf der kein Licht brennt außer den LEDs an Bug und Heck.
Ihr kleines Boot stößt gegen die Bordwand. Kurz darauf wird eine Strickleiter heruntergelassen, und sie klettern in die Dunkelheit hinauf. Matrosen verbeugen sich respektvoll, als sie an Bord gehen. Während sie unter Deck geführt werden, bedeutet Carlyle Anderson zu schweigen. Am Ende eines Gangs flankieren Wachmänner eine Tür. Sie rufen etwas hindurch, melden die Ankunft der Farang, und die Tür öffnet sich. Zum Vorschein kommt eine Gruppe von Männern, die um einen großen Tisch herum sitzen, lachen und trinken.
Einer dieser Männer ist Akkarat. In einem anderen erkennt Anderson den Admiral, der den Kalorienschiffen nachstellt, die nach Koh Angrit unterwegs sind. In einem weiteren vermutet er einen General aus dem Süden. In einer Ecke steht ein schneidiger Mann in einer schwarzen Uniform und beobachtet aufmerksam, was um ihn herum vor sich geht. Ein anderer …
Anderson holt tief Luft.
Carlyle flüstert: »Auf den Boden mit Ihnen, und zwar schnell!« Er fällt bereits auf die Knie und verneigt sich tief. Anderson folgt seinem Beispiel.
Der Somdet Chaopraya mustert sie mit ausdrucksloser Miene.
Akkarat lacht über die demutsvollen Gesten der Farang. Er geht um den Tisch herum und hilft ihnen wieder auf. »Wir müssen hier nicht so förmlich sein«, sagt er mit einem Lächeln.
»Kommen Sie, setzen Sie sich zu uns. Wir sind hier alles Freunde.«
Anderson verneigt sich erneut, und zwar so tief, wie es ihm möglich ist. Hock Seng behauptet, der Somdet Chaopraya hätte mehr Menschen getötet als das
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