Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
zögert, in den Klärraum zu gehen. Er reicht ihr eine von den Schutzmasken, die von den Fließbandarbeitern getragen wurden. »Das sollte ausreichen.«
»Sind Sie sicher?«
Er zuckt die Achseln. »Dann bleib eben hier.«
Doch sie folgt ihm trotzdem dorthin, wo die zum Aushärten benötigte Säure gelagert wird. Vorsichtig setzen sie einen Fuß vor den anderen. Mit einem Lappen über der Hand schiebt er die Vorhänge zum Klärraum beiseite und achtet peinlich genau darauf, dass er nichts berührt. Unter der Maske hört sich sein Atem übermäßig laut an, als wäre eine kaputte Säge am Werk. In den Fertigungsräumen herrscht ein großes Chaos. Die Weißhemden waren hier und haben alles durchsucht. Der Gestank der vor sich hinfaulenden Algenbäder ist entsetzlich, sogar durch die Maske hindurch. Hock Seng atmet so flach wie möglich und schluckt den Würgereiz hinunter. Die Gittersiebe über ihm sind mit einer schwarzen Schicht verdorrter Algen überzogen. Einige Stränge baumeln herab – schwarze, ausgezehrte Tentakel. Hock Seng hätte sich am liebsten von ihnen weggeduckt.
»Was haben Sie vor?«
»Ich suche nach einer Zukunft.« Er schenkt ihr ein schwaches Lächeln; dann erst wird ihm klar, dass sie seinen Gesichtsausdruck wegen der Filtermaske gar nicht erkennen kann. Er nimmt ein Paar Handschuhe aus einem der Vorratsschränke und reicht sie ihr. Auch eine Schürze bekommt sie. »Hilf mir dabei.« Er deutet auf einen Sack, der mit einer pulverförmigen Substanz gefüllt ist. »Wir arbeiten jetzt auf eigene Rechnung. Ohne dass sich irgendwelche Ausländer einmischen, ja?« Als sie nach dem Sack greifen will, hindert er sie daran. »Pass auf, dass nichts davon auf deine Haut gelangt«, sagt er. »Und dein Schweiß darf nicht an das Pulver kommen.« Er führt sie wieder in die Büroräume.
»Was ist das denn überhaupt?«
»Das wirst du schon noch sehen, mein Kind.«
»Ja, aber …«
»Wir werden ein wenig zaubern. Und jetzt hol etwas Wasser aus dem Khlong hinter dem Haus.«
Als sie wiederkommt, nimmt er ein Messer zur Hand und schneidet behutsam die Außenhülle des Sackes auf. »Bring mir das Wasser.« Sie trägt den Eimer herbei. Das Pulver zischt und beginnt zu brodeln. Als er das Messer wieder herauszieht, ist es zur Hälfte weggeschmolzen und zischelt immer noch.
Mais Augen öffnen sich weit. Eine ekelhafte Flüssigkeit tropft von dem Messer. »Was ist das?«
»Eine speziell gezüchtete Bakterienart. Etwas, das von den Farang entwickelt wurde.«
»Aber keine Säure?«
»Nein, etwas Lebendiges. Irgendwie jedenfalls.«
Er nimmt das Messer und beginnt damit, an der Außenwand des Safes entlangzufahren. Das Messer löst sich vollständig auf. Hock Seng verzieht das Gesicht. »Ich brauche
etwas anderes, irgendetwas Längliches, womit ich es auftragen kann.«
»Kippen Sie das Wasser doch direkt auf den Safe«, schlägt Mai vor. »Und dann das Pulver darüber.«
Er lacht. »Kluges Kind.«
Bald schon trieft der Safe vor Wasser. Hock Seng bastelt einen Papiertrichter und lässt das Pulver durch die winzige Öffnung rieseln. Dort, wo es auf das Metall trifft, beginnt die Oberfläche Blasen zu werfen. Hock Seng tritt einen Schritt zurück – die erstaunliche Schnelligkeit, mit der dieses Zeug wirkt, macht ihm Angst. Er bekämpft den Drang, sich die Hände abzuwischen. »Es darf nichts davon auf deine Haut gelangen«, murmelt er leise. Starrt auf seine Handschuhe. Wenn nun ein Rest Pulver darauf zurückbliebe und sie nass würden … Diese Vorstellung jagt ihm einen Schauer über den Rücken. Mai ist schon bis ans andere Ende des Büros zurückgewichen und schaut mit schreckgeweiteten Augen zu.
Metall läuft an der Vorderseite des Tresors herab, zersetztes Eisen löst sich in dicken Schlieren. Mehrere Schichten blättern ab wie vom Herbstwind weggeweht. Die hellen Flocken aus geschmolzenem Eisen landen auf dem Teakboden. Sie zischen und breiten sich aus, brennen weiter und lassen ein Gittermuster aus löchrig verätztem Holz zurück.
»Das hört ja gar nicht mehr auf«, sagt Mai beeindruckt. Hock Seng schaut zu, und seine Besorgnis wächst; er fragt sich, ob das hefeartige Zeug den Boden durchfressen wird, so dass der Tresor unten auf die Produktionsstraße knallt. Schließlich findet er seine Stimme wieder. »Es lebt. Allerdings sollte seine Fähigkeit zur Verdauung bald erschöpft sein.«
»So etwas wird also von den Farang geschaffen.« In Mais Stimme schwingt Bewunderung und Furcht
Weitere Kostenlose Bücher