Birnbaeume bluehen weiß
gut«, sagte Gerard. Er hatte gerade seine vierte Tasse Kaffee getrunken. »Alleine in einem Zimmer, das ist nicht gut.« Danach trank er ein Fläschchen Wasser in einem Zug aus.
»Der Riss in seiner Milz war größer, als wir dachten, wir haben die Milz entfernen müssen. Das klingt schlimmer, als es ist, man kann gut ohne Milz leben. Wir haben einen Stift in seinem Unterarm angebracht. Ich denke, dass er den Arm in ein paar Monaten wieder normal bewegen kann.«
Gerard, der über das Bett gebeugt saß, wodurch wir gut erkennen konnten, dass er und Gerson sich an diesem Abend wenig ähnlich sahen, hörte dem Chirurgen kaum zu. »Warum sagt er nichts?«, fragte er.
»Er wurde bewusstlos eingeliefert«, sagte der Chirurg. »Für die langen Operationen hat er eine Narkose bekommen. Jetzt müssen wir abwarten, wann er aufwacht.«
»Warum sind seine Augen verbunden? Ist was mit seinen Augen?«
Der Chirurg räusperte sich, bevor er weitersprach. »Wir mussten uns auf drei Verletzungen richten«, sagte er, fast schüchtern, als wenn es seine Schuld wäre, dass Gerson dort mit dem halben Kopf im Verband auf dem Bett lag. »Die ersten beiden, die Milz und den Arm, habe ich schon genannt.« Er sagte nichts mehr und sah Klaas an. (Später haben wir uns darüber noch gewundert. Woher wusste er, wer wer war? Wir sehen uns so ähnlich wie zwei Schneeflocken. Hatte ihm jemand gesagt, dass der Zwilling ohne gebrochenen Arm derjenige war, der bei Gerson geblieben war? Vielleicht war es auch ein Zufallstreffer.)
Gerard und Kees sahen auch zu Klaas, der am Fußende des Bettes stand.
Klaas sah die drei Augenpaare nicht. Er sah eine zerschmetterte Windschutzscheibe. Er sah Blut und Hände in Gummihandschuhen, die über Gersons Gesicht strichen.
Ein Bild, das er unbewusst auszulöschen versucht hatte, drängte sich ihm wieder auf. Es weigerte sich, sich zu den anderen schemenhaften Bildern in einer dunklen Ecke seines Gehirns zu gesellen. Es war kein vollständiges Bild, es fehlten ein paar grüne Augen.
»Er ist blind«, sagte er.
»Davon müssen wir wohl ausgehen«, sagte der Chirurg.
»Ich will hier bleiben«, sagte Klaas.
»Ich auch«, sagte Gerard.
Kees wollte auch bleiben.
Es sei nicht üblich, sagte Harald zu uns, dass Leute, denen nichts fehlte, im Krankenhaus schlafen durften.
»Und was ist das hier?«, fragte Kees, während er seinen Gipsarm, der in einem Dreieckstuch hing, vorsichtig ein Stückchen anhob.
Harald machte drei Betten in dem Zimmer, in dem wir schon den ganzen Nachmittag gesessen hatten. Er fragte uns auch, ob wir was essen wollten. Das wollten wir nicht, aber kurze Zeit später kam er trotzdem mit einem Tablett voll Äpfeln und Käse- und Schinkenbrötchen herein. »Falls ihr doch noch Hunger bekommt«, sagte er. Wieder einen Moment später brachte er uns drei Zahnbürsten und eine Tube Zahnpasta. Er warf einen Blick auf das Tablett und ging wortlos wieder weg.
Wir machten das Licht aus und saßen still da und schauten aus dem Fenster. In fast allen hohen Bürogebäuden gegenüber brannte Licht. Durch die Räume gingen Menschen, die große Staubsauger hinter sich herzogen. Auch am Sonntagabend wurde geputzt. Ein endloser Strom von Autos zog über die Autobahn neben dem Krankenhaus. Auf der anderen Seite des Fensters glänzte und bewegte sich alles Mögliche.
»Das ist nicht gut«, sagte Gerard zum zweiten Mal an diesem Tag. »In einem Krankenhaus übernachten, das ist nicht gut.«
»Ich seh noch mal nach Gerson«, sagte Kees.
»Ich komme mit«, sagte Klaas.
Einen Moment später standen wir an Gersons Bett, jeder an einer Seite.
»Ob er uns hören kann?«, fragte Kees.
»Wenn wir was sagen würden, vielleicht schon.«
Es war nicht ganz still im Raum. Allerlei Apparate über und neben seinem Bett piepsten oder rauschten leise. Wir konnten seinen Herzschlag ablesen. Achtzig. Vierundachtzig. Achtundsiebzig.
Das Zimmer, in dem Gerson lag, war schräg gegenüber unserem Zimmer, an der Rückseite des Krankenhauses. Oder lag es doch nach vorne hinaus? Wir wussten nicht genau, wo in dem riesigen Gebäude wir uns befanden. Wir dachten, an der Rückseite, weil wir außer dem Autostrom auf der Autobahn kaum etwas sahen, wenn wir aus dem Fenster schauten. Hier war der Stadtrand. Lag dort ein Wald? Weiden? Ein Park ohne Laternen? Wie auch immer, Gerson hatte nichts von der Aussicht, Aussichten waren für ihn Vergangenheit.
Klaas nahm Gersons linke Hand. Er rieb mit seinem Daumen darüber. Gerson
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