Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
Vom Netzwerk:
raufschaut, ich spüre seinen warmen Atem in kurzen Stößen auf meinem Gesicht. Wir sind unterwegs zum Krankenhaus.

    »Wir können versuchen, seine Augenlider zu rekonstruieren«, sagt ein Arzt, den ich nicht kenne, der aber genau wie der andere Arzt nicht mit mir, sondern mit Gerard, Klaas und Kees spricht. »Seine Augenlider« sagt er statt »deine Augenlider«. Als wenn es mich nicht gäbe, als wenn ich nichts zu sagen hätte. Mir gefällt diese Idee überhaupt nicht, aber ich will doch etwas sagen, vor allem, weil alle über meinen Kopf hinweg über meinen Körper reden. Ich sage: »Nehmt die Haut dann am besten von meinem Oberschenkel, da wächst wenigstens Haar, aus dem ihr Wimpern machen könnt.« Werde ich mir dann die Augen reiben, wenn mein Bein juckt?

    »Ich will keine Murmeln im Kopf.« Wir sind wieder zu Hause. Ich habe die ganze Fahrt nach Hause kein einziges Wort gesagt, so wütend bin ich.
    »Kunstaugen«, sagt Gerard. »Grüne Kunstaugen.«
    »Ein Stück von meinem Bein über die Kunstaugen will ich auch nicht.«
    »Das geht auch gar nicht«, sagt Klaas. »Die Haut von deinem Bein ist dafür nicht geeignet. Hast du dem Arzt nicht zugehört?«
    »Nein«, sage ich. »Ich höre Leuten, die mich nicht ansprechen, nicht zu.«
    »Aber was willst du dann?«, fragt Anna.
    »Woher soll ich denn das wissen?«
    »Zwei schwarze Piratenklappen«, sagt Jan.
    »Zum Beispiel.«
    »Oder eine Sonnenbrille«, sagt Kees. »Das ist cool.«
    »Oder gar nichts«, sage ich.
    »Das geht nicht.« Gerard.
    »Warum nicht? Es ist mein Körper. Ich will nicht operiert werden. Ich will nur operiert werden, wenn ich dadurch wieder sehen kann.«
    »Gerson«, sagt Gerard, »es klingt vielleicht ein wenig seltsam, aber wir müssen dich den ganzen Tag anschauen. Du kannst dich selbst nicht sehen, und wir haben uns schon ein wenig daran gewöhnt, aber andere Leute könnten einen Schrecken bekommen.«
    »Nicht nur an dich selbst denken, Gerson«, sagt Jan, ein wenig streng. Ich gehe nicht darauf ein.
    »Andere Leute? Was für Leute? Was habe ich mit anderen Leuten zu tun? Dann gucken sie mich eben nicht an.«
    »Es gibt noch mehr Dinge, die wir besprechen müssen.«
    »Ich will nichts besprechen, ich will meine Ruhe. Daan!« Noch bevor ich zu Ende geredet habe, sitzt er auf meinem Schoß. Daan sagt nichts und will nichts. Daan ist mein stiller Freund. Er leckt mir übers Gesicht, dreht sich einmal imKreis und legt sich dann hin, mit einem zufriedenen Seufzer. Er ist warm, und ich fühle sein Herz klopfen.

    Kees ist vielleicht ein Trottel. Ich sitze im Wohnzimmer vor dem großen Fenster und sage: »Es regnet.«
    »Ja«, sagt er erstaunt, »woher weißt du das?«
    »Hörst du ab und zu mal was?«
    »Ja, natürlich, ich höre dich jetzt.«
    »Dann kannst du doch auch hören, dass es jetzt regnet?«
    Es ist einen Moment still. »Ja, das kann ich hören.«

    Ich habe einen Ball. So einen kleinen Ball, der mit Reis oder Styroporkügelchen gefüllt ist. Ich muss in den Ball kneifen, um meinen rechten Arm zu kräftigen. Ich weiß, dass in meinem Unterarm ein Stift ist, aber das spüre ich nicht. Ich kann kaum eine volle Kaffeetasse hochheben. Also sitze ich jetzt in einem Sessel und kneife wie ein Idiot in den Ball. Kneifen, entspannen, kneifen, entspannen. Es ist egal, in welchem Sessel ich sitze, ich kann doch nichts sehen. Wenn ich den Ball fallen lasse, liegt er in ein paar Sekunden wieder auf meinem Schoß. Daan ist unersetzlich.

    Das Seltsame am Schwarz-Spielen war immer, dass wir nicht besser wurden. Klaas und Kees nicht, und ich nicht. Jetzt merke ich, dass ich blindlings – wie auch anders – von der Küche aus den großen Sessel vor dem Fenster finden kann. Ich gehe einfach so darauf zu. Ich trete auch nie daneben, wenn ich die Treppe hinuntergehe. Wie kann das nur sein? Funktioniert es jetzt, weil es nicht anders geht? Irgendwie weiß ich, dass ich froh darüber sein sollte. Aber ich weigere mich, froh zu sein. Ich will nicht blind sein, ich will sehen.

    Ich kann nicht schlafen. Es weht, ich höre die Pappel säuseln und die Zeder im Garten knistern. Ich bekomme nicht gut Luft. Das liegt mehr an meinem Kopf als an meiner Lunge. Weil alles so schwarz ist, stürzt es sich ab und zu auf mich. Es dröhnt und braust dann in meinen Ohren, und vor Schreck atme ich immer schneller. Dadurch bekomme ich nach einer Weile keine Luft mehr. Es ist, als würde Daan es spüren. Er kommt vom Fußende des Bettes hoch und legt sich dicht neben

Weitere Kostenlose Bücher