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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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an. »Vier Männer in schwarzen Anzügen und mit Sonnenbrillen. Sie stehen nebeneinander und schauen nach oben.«
    »Was gibt’s da zu sehen?«
    »Nichts. Sie stehen in einem großen, weißen Raum. Es ist, glaube ich, eine Kunstkarte.«
    »Was schreibt sie?«
    Klaas drehte die Karte um. »Lieber Gerson, schon heute herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag oder nachträglich noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, das hängt ein wenig von der italienischen Post ab. Du bist vierzehn geworden! Schon fast ein Mann. Alles Liebe.«
    »Ist das alles?«, fragte Gerson.
    »Ja.«
    »Was steht darunter?«
    »Mama.«
    »Mama«, sagte Gerson geringschätzig. »Erst schreiben, dass ich fast ein Mann bin, und dann mit Mamaunterschreiben. Was soll das? Kannst du den Poststempel lesen?«
    Klaas hielt die Karte dicht vor seine Augen. »Nein«, sagte er. »Aber vielleicht kann Gerard noch mal gucken.«
    »Ob sie all die Jahre die Karten selbst zur Post gebracht und den Mann hinterm Schalter jedes Mal gefragt hat, ob er bitte so undeutlich wie möglich abstempeln kann?«, fragte Gerson.
    Gerard runzelte die Stirn und warf einen kurzen Blick auf die Karte. »Nein«, sagte er, »unlesbar.« Er ließ die Hand mit der Karte auf seinen Schoß fallen und starrte aus dem großen Fenster nach draußen.
    »Irgendwann kommt sie zurück, Gerson«, sagte er nach einer Weile. »Sie muss eines Tages zurückkommen. Sie kann nicht ewig wegbleiben.«
    »Von mir aus kann sie das ruhig«, sagte Gerson. »Es ist mir alles so was von egal.«

    Nachmittags gingen wir zum Strand. Es nieselte nicht mehr, aber es war noch immer ein schmutziggrauer, windstiller Tag. Ein seltsamer Tag für mitten im Sommer. Gerson ging vor uns und lief auf eine Düne zu. Daan zog ihn. Die Leute, die ihm entgegenkamen, konnten lesen, wer er war und wie lange er schon auf dieser Welt war. Gerard hatte ihm, kurz bevor wir aus dem Haus gingen, gesagt, dass er sein Sweatshirt verkehrt herum anhatte. Wir passten gut auf ihn auf, aber Daan lief, ohne zu zögern, genau auf den Sandpfad zu, der vom befestigten Weg aus hinunter zum Strand führte. Er benahm sich – bis auf das Ziehen – wie ein echter Blindenhund.

    Gerson wankte, als der Asphalt in Sand überging. Ein Mädchen, das nach oben stieg, sagte etwas zu Gerson, was wir nicht verstehen konnten.
    Gersons Antwort verstanden wir wohl. »Halt’s Maul«, sagte er, »oder soll ich den Hund auf dich hetzen?«
    Darüber musste das Mädchen laut lachen. Ein sehr hübsches Mädchen, wie wir fanden, eines, das uns, mit unserem Strohhaar und unseren krummen Nasen, nie einfach so ansprechen würde. Sie hatte lange, feuchte Haare, die an ihrem Gesicht klebten, und lange Wimpern. Das sah Gerson natürlich nicht. Und wenn er es hätte sehen können, wäre es ihm wahrscheinlich egal gewesen.
    »Daan, fass«, sagte er und ließ die Leine los. Daan rannte auf das Mädchen zu, sprang hoch und blieb am Saum ihrer Shorts hängen. Er strampelte mit seinen kurzen Pfoten gegen ihre nackten Beine. »Hau ab!«, rief das Mädchen und gab ihm einen Klaps auf den Kopf.
    »Daan, aus!«, rief Gerard. Daan reagierte nicht.
    »Daan, aus!«, sagte Gerson. Daan ließ sofort los und landete auf dem Sand.
    »Dreckskerle«, schrie das Mädchen uns an.
    Danach rannte sie weg, über die Düne. »Schwule Wichser«, hörten wir sie noch rufen, als sie schon hinter dem reglosen Strandhafer verschwunden war.
    »Das darf ein Blindenhund natürlich nie machen«, sagte Kees trocken. »Der muss immer ruhig bleiben und darf sich unter keinen Umständen bei Leuten an die Hose hängen.«
    »Was hat sie eigentlich gesagt?«, fragte Klaas.
    »Sie sagte: ›Hey, du Schönling, ich kann weit und breit keine Sonne sehen. Angeber!‹«
    »Tja«, sagte Gerard. »Mach das nie wieder, Gerson.«
    »Das kommt darauf an«, sagte Gerson. Er schob die Sonnenbrille demonstrativ ein Stück hoch, hockte sich hin und wühlte im Sand. Daan nahm die Leine ins Maul und drückte sie gegen Gersons umhertastende Hand. Zusammen rannten sie nach unten, dem spiegelglatten Meer entgegen.

    Wir standen bis zu den Hüften im Salzwasser. Einen Ball hatten wir nicht mitgenommen, es hat wenig Sinn, mit jemandem Ball zu spielen, der blind ist. Daan tat, als wäre er eine Art lebendiger Ball. Vor dem Meer hatte er seltsamerweise keine Angst. Das Meer ähnelt einem Graben natürlich auch nicht die Bohne, vielleicht darum. Wild paddelnd schwamm er hin und her. Derjenige,

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