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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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Daan sich an seine Hosenbeine gehängt hat.«
    »Dann hat er also doch was gesagt.«
    »Später, ja. Gerard und er mussten alle möglichen Formalitäten erledigen. Unser Auto war kaputt und seins auch.«
    »Ist er im Krankenhaus gewesen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht? Tat es ihm denn nicht leid, was er gemacht hat?«
    Wir schwiegen.
    »Warum sagt ihr nichts?«
    Klaas räusperte sich. »Er kam von rechts.«
    Gerson dachte nach. »Ich saß also vorne«, sagte er nach einer Weile, »und Kees saß hinter mir?«
    »Ja«, sagte Kees.
    Es dämmerte. Das Hämmern hatte aufgehört, und die Hühner waren still geworden. Es war so still, dass wir das Kauen, Aufstoßen und Wiederkäuen der Schafe auf der anderen Seite des Grabens hören konnten.
    »Und dann?«
    »Gerard und Kees wurden mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht.«
    »Und ich?«
    »Du warst noch im Auto.«
    »Warum haben sie mich da nicht rausgeholt?«
    »Na ja«, sagte Klaas, »du warst ziemlich eingeklemmt.«
    »Warst du auch noch da?«
    »Ja, ich war noch da.«
    »Du hast alles gesehen.«
    »Ich habe alles gesehen. Jemand wollte mich wegschicken, aber ich habe gesagt, dass ich dein Bruder bin.«
    »Und da durftest du bleiben.«
    »Ja.«
    »Wo war der Mann?«
    »Das weiß ich nicht, ich habe nicht mehr auf ihn geachtet.«
    »Du hast auch noch was gesagt«, sagte Kees.
    »Ich?«, sagte Gerson. »Wann?«
    »Kurz nach dem Unfall, als alles wieder still war.«
    »Was habe ich denn gesagt?«
    »Au.«
    »Au?« Gerson seufzte tief. Vielleicht war er müde. Müde vom Reden, müde davon, sich Dinge vorzustellen. Vielleicht wollte er mit diesem tiefen Seufzer sagen, dass er mehr als genug gehört hatte. Dass er bishierher und nicht weiter wollte. Er konnte sich bestimmt selbst vorstellen, wie das Auto aussah und er selbst in dem Auto. Es war schon spät. Normalerweise lag er bereits um neun Uhr im Bett.
    »Das finde ich schon komisch«, sagte er. »Au ist so ein kleines Wort, ein Wort, das man benutzt, wenn man sich in den Finger geschnitten hat oder sich den großen Zeh stößt. Nicht, wenn man nach einem Unfall im Auto festsitzt.« Danach sagte er nichts mehr.
    »Wir reden später noch mal darüber«, sagte Kees nach einer Weile. »Wenn du es möchtest, natürlich«, fügte er schnell hinzu.
    »Ja«, sagte Gerson. »Nein«, sagte er danach. »Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht.«
    »Wie du möchtest«, sagte Klaas.
    »Ich will ins Bett«, sagte er. »Ich will schlafen. Wenn ich schlafe, träume ich, und wenn ich träume, sehe ich wenigstens noch was.«

Wenn ich träume, kann ich sehen. Meinen Träumen ist es egal, dass ich blind bin. Ich frage mich, wie das bei Menschen ist, die blind geboren sind. Ich schlafe viel, sehr viel. Ich bin wie Gerard, der geht auch schlafen, wenn er gerade nicht mehr weiterweiß.

    Ich habe Anna und Jan befühlt. »Muss das sein«, brummte Opa, und ich sagte: »Ja, das muss sein.« Ich weiß, wie sie aussehen, ich kenne ihre Gesichter auswendig. Vielleicht hilft das, vielleicht kann ich so lernen, mit meinen Fingern zu sehen. Wenn ich das überhaupt lernen will . Als meine Finger die Form seiner Nase abtasteten, sah ich sie vor mir. Wer weiß, vielleicht begegnet mir noch mal so eine Nase, und dann weiß ich genau, wie sie aussieht. Unter Omas Augen war es feucht. »Mir ist da draußen gerade was ins Auge geflogen«, sagte sie.

    »Gerson, warum sind deine Unterhosen immer so schmutzig?« Anna. Zum Glück sagt sie es, als die anderen weg sind.
    »Ich bin blind«, sage ich.
    »Hat man denn immer schmutzige Unterhosen, wenn man blind ist?«
    »Ich kann mir das Klopapier nicht mehr anschauen«, sage ich, und ich bin sehr froh, dass ich sie nicht sehen kann, zum ersten Mal bin ich froh, dass ich nichts sehen kann.
    »Ja, putzt du dich denn nicht mehr ab?« Sie begreift es nicht.
    »Früher«, sage ich, »früher guckte ich mir das Klopapierimmer an, wenn ich mich abgeputzt hatte, und dann konnte ich sehen, ob ich mich noch mal mit einem neuen Stück Papier abputzen musste. Oder noch zweimal.«
    »Aha.«
    Ich will sie erst fragen, wie sie das macht, aber das tue ich doch lieber nicht. Es gibt Dinge, die man besser nicht weiß. Oder nicht wissen möchte. Ich bin ziemlich platt, als sie sagt: »Ich werde Jan mal fragen, wie er das eigentlich macht.«

    »Vier Männer in einem großen blauen Wagen«, sagt Gerard. Es ist ein Scherz, aber niemand lacht. Ich sitze vorne, mit Daan auf dem Schoß. Ich weiß, dass er ab und an zu mir

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