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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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seine Lippen.
    Es war vor 21  Jahren gewesen. Ein Tag wie in der Multi-Sanostol-Werbung. Aus den Wolken fiel so viel Regen, dass man sich mit einem Löffel das Herz ausstechen wollte. Die 3 . Klasse der Hölderlin-Grundschule besuchte das Freilichtmuseum Kommern – unter anderem, um zu erfahren, wie im Mittelalter Brot gebacken wurde. Prickelnd. Und wenn die Schüler Glück hatten, würden sie sogar lernen, wie die Menschen damals auf das Plumpsklo gingen.
    Auf dem Hinweg schlief der achtjährige Paolo Birnbaum vor lauter Aufregung ein.
    Es gab dann aber doch zwei echte Höhepunkte: 1 . Er schaffte es, Verena Toltschick einen Kaugummi an den Rucksack zu kleben (ohne dass sie es merkte, den ganzen Ausflug über!). Und 2 . Die Schafe.
    Paul hatte gepfiffen. Nicht zu den Schafen, sondern zu Petra Müller, weil die sich die Jacke auszog (die Sonne war für einen Sekundenbruchteil herausgekommen). Petra Müller würdigte ihn dafür keines Blickes.
    Aber die Schafe.
    Sämtliche Schafe.
    Sie schauten ihn mit einem Mal erwartungsvoll an.
    Oder bildete er sich das nur ein?
    Der achtjährige Paolo Birnbaum pfiff noch einmal.
    DieSchafsherde kam näher. Ein paar Böcke aus den letzten Reihen blökten aufmunternd.
    Er pfiff tiefer.
    Sie drehten sich nach rechts.
    Höher.
    Nach links.
    Schafsballett.
    Er probierte einige kurze, laute Pfiffe. Die Schafe liefen rückwärts.
    Nein, er phantasierte nicht. Er konnte zwar noch kein Englisch, aber er konnte Schaf.
    Die Lehrerin rief, er solle nicht so trödeln, die Klöppel-Demonstration starte gleich.
    21  Jahre später stand Paul im Grüngürtel, der sich dank Konrad Adenauer halbkreisförmig um Köln legte. Genau gesagt stand er auf der großen Wiese an der Gleueler Straße, um ihn herum mampfte eine Herde Schafe das langsam wieder sprießende Gras. Es machte Paul glücklich, die weißen Fellknäuel dabei zu beobachten. Sie strahlten eine unglaubliche Gemütlichkeit aus. Paul atmete immer ruhiger, wenn er sie hütete. Was er nur tat, wenn Rainer krank war oder im Urlaub. Dann sprang Paul ein, ohne Wenn und Aber. Er stand bereit, wenn der letzte Kölner Schafhirte ihn brauchte.
    Das Gute beim Hüten war, dass man viel Zeit zum Nachdenken hatte. Heute allerdings war das eher ein Nachteil. Paul wollte nicht länger über Eli grübeln, und den Soufflé-Super- GAU wollte er am liebsten komplett aus dem Gedächtnis streichen.
    Gott sei Dank war irgendwann das dicke, schwarze Schaf aufgetaucht. Es fraß gerade einen Schokoriegel. Dann warf es die Verpackung ins Gras.
    Paul pfiff sehr scharf und mit einem leichten Tremolo am Ende.
    Kurze Zeit später war das schwarze Schaf umzingelt von der Herde. Diese guckte es böse an.
    »Istja gut«, sagte das schwarze Schaf. Die meisten kannten es als Andy. »Wusste gar nicht, dass du Lynchmord erpfeifen kannst.«
    »Ich lass mir gern was Neues einfallen. Hebst du den Müll jetzt endlich auf?«
    Andy mochte sich täuschen, aber eines der Schafe hatte gerade geknurrt. Er schnappte sich seinen mitgebrachten Fußball und kickte ein wenig um die Herde, bis ihm die Luft ausging.
    Nach ungefähr zehn Metern.
    »Öde hier. Viel öder, als ich mir gedacht habe. Klang eigentlich nach Spaß.«
    »Guck dir die Wolken an, mache ich auch immer. Heute ist ein guter Wolkenhimmel.«
    Und es war wirklich ein guter Wolkenhimmel, einer mit viel Blau, von dem sich die Wolken abhoben. Sie waren für Paul wie Leinwände, auf die er projizieren konnte, was er wollte. Jetzt war es die Frau aus Ömers Laden, die ihn anlachte, dann seine Kollegin Tine, und die nächste Wolke … die nächste Wolke zierte sich. Sie wollte einfach nicht zu einem Gesicht werden.
    Paul zog den Schäferhut mit der breiten Krempe tiefer ins Gesicht und blickte Andy an, der erfolglos versuchte, ein Schaf zu streicheln. Vielleicht versuchte er auch, es zu reiten. Man konnte es nicht genau erkennen.
    »Was ist, wenn es gar keine wahre Liebe für mich gibt?«
    »Wie bitte?« Andy ließ das Schaf in Frieden. Es rannte erleichtert blökend zurück zu seiner Herde.
    »Na ja, im Fernsehen und in Hollywoodfilmen, klar, da finden sie sich, da wissen sie, dass sie zueinander gehören. Da ist es Schicksal. Aber gibt es das wirklich? Ich meine, kennst du eine Beziehung, bei der es so läuft? Bei der sie bis über beide Ohren verliebt sind, selbst wenn er mal wieder nicht den Müll rausträgt oder sie stundenlang mit ihrer Mutter telefoniert?«
    »InUnterwäsche?«
    »Was redest du denn da? Wer telefoniert

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