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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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der Ferne angeschmachtet. Wie einen Planeten am anderen Ende der Galaxie. Doch jetzt, wo er gelandet war, musste Paul feststellen, dass auf dem Planeten Tine die Flussbetten längst ausgetrocknet, die Tierwelt verendet und kein einziges ordentliches Restaurant vorhanden war. Aber vielleicht kam das noch. Manchmal musste man nur lange genug suchen. Er war kein Entdecker, der einfach so aufgab. Und alle sagten schließlich, was für ein Glück er mit Tine hatte. So eine tolle Frau an seiner Seite, das hätten sie ihm gar nicht zugetraut.
    Jetzt war es 0 : 43  Uhr Ortszeit, er saß auf einem elektrischen Bullen namens »The Killer« und die Frau an seiner Seite stand grölend hinter dem aufgeblasenen Plastik-Westerngatter. Die Discomenge johlte, und Pauls Hirn wurde durchgeschüttelt, als hielte es ein irrer Cocktailmixer in der Hand. Konnten sie zur Belustigung nicht was anderes anbieten? Ponyreiten zum Beispiel? Häschenstreicheln? Meine Güte, bockte das Biest! Hörte das auch mal wieder auf? Er würde nicht loslassen, würde sich vor diesen komasaufenden Partyhopsern keine Blöße geben. Diesen Sattel würde er festhalten, und wenn es ihm die Hand zerfetzte.
    Argh, wieder einer dieser üblen Schläge in den Unterleib.
    Das konnte nicht gut für die Familienjuwelen sein. Er meinte sogar, sie schon klirren zu hören.
    Immer wieder hopste an ihm Tines Gesicht vorbei. Sie hatte so viel Energie und war wirklich eine nette, eine tolle Frau. Selbst die Entlassungverzieh sie ihm. Sie fand seine kriminelle Ader sogar irgendwie sexy. So als wären sie jetzt Bonnie & Clyde . Er hatte ihr die Notlüge aufgetischt, dass er eine Racheaktion am Computer der Chefin durchführen wollte, weil diese Tine am Tag so niedergemacht hatte.
    Paul jobbte seit dem Rauswurf in einem Ehrenfelder Restaurant als Küchensklave.
    Zumindest, wenn er nicht auf Samos elektrische Bullen ritt.
    Die Arbeit war hart. Schnibbeln, schälen, angebrüllt werden, putzen, aufräumen, angebrüllt werden. Doch wenn er am Ende sah, was aus seiner Arbeit wurde, ging er spätnachts glücklich nach Hause. Am Abend vor Samos hatten sie ihn sogar an die Vorspeisen-Station gelassen. Eine große Ehre.
    So, gleich würde das Ding langsamer werden. Dann hätte er es geschafft. Gott sei Dank.
    Er lächelte Tine zu.
    Oh nein! Das Monster wurde schneller, der Bulle rannte um sein Leben. Paul klammerte sich fest. Wenn er jetzt losließ, würde ihn die Wucht vermutlich durch die Mauer, übers Meer, Athen passierend, Rom grüßend, direkt bis nach Köln schleudern.
    Eigentlich eine schöne Aussicht.
    »Mach ihn fertig!«, brüllte Tine ihm zu, und Paul konnte trotz des unfassbaren Rüttelns ausmachen, wie sie ihr leeres Cocktailglas in Augenschein nahm. Kopfschüttelnd ging sie zur Bar, ohne ihn weiter zu beachten. Er vollführte diesen Rodeo-Ritt nur für Tine, aber sie ließ ihn im Stich. Ihm war plötzlich sehr mulmig zumute.
    Jetzt machte das Vieh auch noch Bocksprünge! Durften Bullen das überhaupt? Paul hörte einen Gongschlag, der Rekord war gebrochen, und als der Bulle in den nächsten Gang schaltete, gegen den das 1857 er Erdbeben von Los Angeles ein nettes Schaukeln war, stieß er sich ab und landete weich im aufgeblasenen Plastik.
    Tinehatte sich an der Theke auf einen Barhocker gesetzt und nuckelte gerade lasziv an ihrem Sex on the beach. Obwohl sich alles um ihn drehte, schaffte es Paul, heil bei ihr anzukommen.
    »Und?«, fragte sie. »Hast du gewonnen?«
    Paul blickte auf die Anzeigetafel. Hatte er anscheinend. »Mhm.«
    Tine schmiegte sich an ihn. »Das ist mein Mann, der Bullenreiter! Und er kann noch viel mehr! Zeig dem Barkeeper mal, wie gut du Cocktails mixen kannst. Bittööö! Mein Mann ist nämlich Koch, arbeitet in einem Sternerestaurant.«
    »Also eigentlich …«
    Sie zwickte ihm in den Po. »Sei nicht so bescheiden.« Tine blickte sich um und rief: »Schaut doch mal gerade alle her!«
    Der Barkeeper drückte ihm jetzt den Cocktailshaker in die Hand. Was soll’s, dachte Paul. Mir ist zwar gerade extrem schwindlig, doch Tine will angeben. Soll sie haben. Aber danach würde er ins Hotelzimmer verschwinden und sich zivilisiert übergeben.
    Paul mixte einen Zombie – denn schließlich fühlte er sich gerade wie einer. Mit sechs Sorten Rum. Im Don the Beachcomber , wo der Drink erfunden worden war, erhielten Gäste nie mehr als zwei hintereinander von dem Mördertrunk. Es war einer von gerade einmal fünf Cocktails, die Paul dank eines VHS -Kurses

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