Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
nicht die Spur müde.
Super, sagte sie. Ich weiß schon, wohin. Und sie packte ihn bei der Hand und zerrte ihn zur Tür hinaus, beinah im Laufschritt.
Mel schleppte ihn zu einem All-Night-Diner. Dort saßen sie an einem Tisch an der Rückwand und aßen Bratkartoffeln und schütteten einen Kaffee nach dem anderen hinunter. Mel bombardierte ihn mit Fragen; jedesmal, wenn Brad hätte schwören mögen, dass er nicht mehr piep sagen konnte, fragte sie: Und was war dann? – und die ganze Zeit über sah sie ihn mit diesen hellen, wachen Augen an, die sich weiteten und wieder schmal wurden, als wäre das, was er zu sagen hatte, allen Ernstes hochinteressant, als wäre sein Leben ein einziges gro ßes Abenteuer.
Also erzählte er ihr von seiner Kindheit in Indiana, von seinem Vater, dem Arschloch, von der Scheidung seiner Eltern, von den ganzen Jahren, zehn bis siebzehn, die er mit seiner Mutter allein gelebt hatte, und davon, wie gut es zwischen ihnen immer gelaufen war, trotz all dem Mist, den er baute -
Du?, sagte Mel lachend.
(Und manchmal – nein, eigentlich jeden Tag – überlegt er seitdem, warum sie das wohl gesagt hat; er war schon immer verkorkst, schwer erziehbar. Seit er denken kann, baut er Mist, teils ungewollt, aber meistens deshalb, weil ihm einfach alles so scheißegal ist. Er hat Tattoos auf den Armen, er hat lange Haare, ein dünnes Ziegenbärtchen und schmale blinzelnde Augen; wenn er auf einer Filmleinwand auftauchen würde, würde jeder sofort denken, der Schurke, und nur darauf warten, dass der Held kurzen Prozess mit ihm macht.
Aber nicht Mel, nicht dieses lachende Mädchen, das nur fragt: Du? )
Ja, ich, sagte er mit heißen Backen.
Und er erzählte weiter: wie seine Mutter seinen Stiefvater, Jim, bei irgendeinem Singletreff ihrer Kirche kennengelernt hatte und wie Jim und er sich, kaum dass Jim bei ihnen eingezogen war, gehasst hatten; Jim war so ein Typ, der ständig seinen Besitz markieren musste, und in diesem Fall war der Besitz Brads Mutter. Sechs Jahre hatte Brad seine Mutter vor den Männern gewarnt, die bei ihr landen wollten, und was machte sie? Heiratete den größten Mistkerl von allen! Eines Sonntagmorgens krachte es dann: Jim hatte ein bisschen Shit in einer von Brads Taschen gefunden und stieg ihm deshalb aufs Dach, und da rastete Brad ganz einfach aus: Ein halbes Jahr hockten sie jetzt schon in dem kleinen Haus aufeinander, und Brads Mutter lief herum und säuselte Jesus liebt dich wie irgendsoein Scheißzombie, und jetzt stand da dieser haarige Oberarsch im Unterhemd neben der Kaffeemaschine und wedelte Brad mit dem Finger vor der Nase rum und erzählte ihm, dass seine Mutter etwas Besseres verdient hätte als diesen Wichser von Sohn, der -
Mel lachte. Das hat er gesagt?
Brad ahmte die Stimme seines Stiefvaters nach: Deine Mutter ist ein Engel in Menschengestalt, Junge, und du Wichser von einem Sohn besudelst ihr hier ihre saubere Wohnung!
Du hast ihm eine reingehauen, sagte Mel und klopfte ihm eine Zigarette aus der Packung. Magst du?
Brad nickte und zündete sich die Zigarette an. Yeah, sagte er. Ich lass mir doch keine solchen Ausdrücke bieten.
Tatsache war – auch das erzählte er ihr -, dass er ziemlich Amok gelaufen war gegen den guten Jim, mit Anbrüllen und Morddrohungen und allem, und geendet hatte es damit, dass Jim Brads hysterischer Mutter das Telefon aus der Hand riss und sich das blutige Badehandtuch vom Mund wegnahm, um in den Hörer zu blaffen: Ich brauch kein Cheiffhkrankenwagen! Ich will die Poliffhei!
Also wurde Brad verhaftet, und Jim erstattete Anzeige – zu deinem eigenen Besten, sagte ihm seine Mutter, und dann: Ich hab’s ihm nicht ausreden können -, was für Brad auf drei Monate auf Bewährung und jede Menge Sitzungen mit einem psychologischen Betreuer hinauslief. Seine Mutter meinte, es wäre besser, wenn er auszog, also zog er zu einem Kumpel nach Hammond. Seine Mutter bekniete ihn, sich fürs College zu bewerben, aber -
Nichts gegen dich, sagte er Mel, aber ich bin einfach keiner von diesen Scheißintellektuellen.
Sie hatte ihm erzählt, dass sie an der DePaul University studierte und Lehrerin werden wollte.
Das ist schon in Ordnung, sagte Mel. Die Leute sind eben verschieden. Als Kind dachte ich immer, College wäre das Höchste, aber ich kenne alle möglichen tollen Typen, die nie ein College von innen gesehen haben, und alle möglichen Volldeppen, die studieren.
Sie lächelte ihn an, und er glaubte ihr.
Und was war
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