Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
unten zu parken, wo die Hütte ihn den Blicken von der Straße entzieht.
Ich will allein mit dir sein, hat er in Chicago zu ihr gesagt, und da sind sie nun: so allein, wie zwei Menschen nur sein können. Um sie ist nichts als Wald und nochmals Wald. Das hat Brad von den höhergelegenen Abschnitten der Schotterstraße aus gesehen: Kette um Kette schattig-grüner Hügel, gesprenkelt mit Flecken von Braun und Gelb und Gold. Ein Meer aus schmutzigem Wasser, sacht wogend, schön und ein bisschen unheimlich zugleich.
Wahrscheinlich bin ich einfach nur nervös, sagt Mel. Schön blöd, oder? Ich meine, das hier ist doch genau das, was ich mir gewünscht hab. Ich muss es verdammt noch mal endlich lernen, meinem Glück zu trauen.
Und das ist auch so ein Grund, warum Brad sie liebt – manchmal ist es, als würde Mel sich direkt in seine Gedanken einklinken.
Trau ihm, sagt er. Wir packen das.
Wird gemacht, sagt sie und zündet sich eine Zigarette an, dann drückt sie sein Knie. Bin schon dabei.
Und als Mel ihre Zigarette fertiggeraucht hat, weiß Brad, dass es ihr besser geht, denn jetzt redet sie – erzählt ihm lebhaft gestikulierend etwas, das sie in einer ihrer Psychologievorlesungen gehört hat, über Leute, die in Einsamkeit leben. Eskimostämme, Kosmonauten, japanische Soldaten auf Pazifikinseln. Er driftet weg von ihren Worten und hört nur noch ihrer Stimme zu, die leise ist, heiser und hintergründig und schön. Wenn sie ihm solche Sachen erzählt, fühlt er sich richtig gescheit. Und stolz, weil sie mit ihm redet, weil sie bereit war, ihm diesen Ort hier zu zeigen, und weil sie beide hier so glücklich sein werden wie noch nie.
Kaum ist die Sonne weg – sie sehen sie von der Veranda aus untergehen, ein orangegelbes und rotes Glühen durch das Geflecht der Kiefernzweige über der Hütte -, sinkt die Temperatur merklich. Brad und Mel ziehen in die Hütte um, mit einer Taschenlampe leuchtend, die Brad im Handschuhfach des Pick-up gefunden hat. Drinnen ist es nicht viel wärmer. Brad bückt sich und hält die Hand flach über die Dielenbretter; Kälte steigt durch die breiten Ritzen auf wie Rauch. Man mag kaum stillstehen hier drin; wie sollen sie da schlafen?
Mel beäugt misstrauisch das Feldbett und die Matratze, ihre Jacke eng um sich gezogen.
Wir können immer noch in ein Motel gehen, sagt sie.
Genau Brads Gedanke, auch wenn er es nicht zugibt.
Nein, sagt er. Jetzt sind wir den ganzen Weg hierhergekommen, jetzt bleiben wir auch.
Sie machen sich auf die Suche, öffnen die wenigen Türen der Hütte. Im Hinterzimmer steht ein alter Eimer, der immer das Klo war, wie Mel ihm erklärt. In dem einzigen Schrank finden sie ein paar gammelige Pullover, nach Mottenkugeln riechend und so riesig – Andys Vater, sagt Mel mit einer Grimasse: der Mann ist so was von fett -, dass selbst Brad einen tragen kann wie ein Nachthemd. Eine zusammengefaltete Steppdecke liegt auch da; sie stinkt nach Schimmel. In einer Ecke des Hauptraums ist ein Waschbecken mit einem Schränkchen darunter, in dem Köderbüchsen ohne Köder darin stehen, halbleeres Spülmittel. Eine lange Rolle Alufolie. Ein Schuhkarton mit zwei Kerzen, dazu Streichhölzer. Große, desinteressierte Spinnen.
In dem kleinen Schuppen hinterm Haus entdeckt Brad einen Campinggrill, kaum kniehoch, und eine bauchige kleine Propangasflasche, so groß wie ein Football etwa, die sich voll anfühlt, als er sie hochhebt. Er trägt beides in die Hütte.
Siehst du?, verkündet er Mel, als sie den Strahl der Taschenlampe auf ihn richtet. Ich bin ein Genie.
In der Mitte des vorderen Raums bauen sie sich ein Zelt. Sie legen die dünne Matratze auf dem Boden aus, zwischen den Beinen des Klapptisches. Vors Kopf- und Fußende der Matratze rücken sie die zwei Stühle. Brad drapiert die schimmlige Steppdecke über dem Ganzen; sie ist gerade so groß, dass sie bis auf den Boden reicht. Den Grill stellen sie auf einem Stück Alufolie unter einem der Stühle auf. Dann kriechen sie unter den Tisch. Brad zündet den Grill mit seinem Feuerzeug an, und augenblicklich strömt Wärme in ihre kleine Höhle.
Sie haben selber eine Decke mitgebracht, die Mel aus ihren Rucksäcken herauskramt und sich und Brad über die Beine breitet. So, sagt sie und rollt sich neben ihm zusammen. Gar nicht schlecht, oder?
Und du wolltest in ein Motel gehen, sagt er.
Nein! Mel schlingt ihm die Arme um den Hals. Nein, das ist viel besser.
Sie halten Brocken von Frühstücksfleisch über das Feuer und
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