Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
dann?
Dann fing seine Mutter an, ihn ganz fürchterlich zu vermissen, und rief jeden Abend bei ihm an und heulte und jammerte wegen seiner Zukunft und flehte ihn an, doch in die Kirche zu kommen. Und in der Zwischenzeit bekamen Brad und sein Kumpel einen Job, wo sie nachts Böden reinigen mussten; tagsüber mischten sie Musik und fuhren von Flohmarkt zu Flohmarkt, um nach alten LPs zu schauen. Und dann kam sein Kumpel eines Tages an und verkündete, dass er es satt hatte, immer nur rumzugammeln, und dass er ein bisschen Geld gespart hatte, und wenn Brad auch noch mal so viel drauflegte, dann wüsste er einen Typen, der ihm eine Platte Shit verkaufen würde, und damit könnten sie dann erst mal weitersehen. Und Brad, dem dieses beschissene Bodenreinigen dermaßen stank, dass er am liebsten gar nicht mehr aus dem Bett aufgestanden wäre – nach einer Nacht Reinigungsmaschinengerüttel waren seine Hände so zittrig, dass er kaum die Regler an seinem Mischpult betätigen konnte -, fand das eine hervorragende Idee.
Eine Weile lief alles gut. Weder er noch sein Kumpel wurden reich bei der Sache, das nicht, aber es reichte für die Miete und für ihre eigenen Joints, und ein besseres Keyboard konnte Brad auch kaufen. Aber dann -
Seid ihr erwischt worden, vollendete Mel.
So ungefähr. Meine Mutter hatte mir zwischendurch immer wieder Schecks geschickt – aus schlechtem Gewissen, weil sie mich an die Luft gesetzt hatte, weißt du? Hinter Jims Rücken, wie sich rausgestellt hat. Und dann stellt sich raus, dass einer von den Typen, an die wir verkauft haben, der Sohn von Leuten ist, die meine Mutter aus der Kirche kennt, und der ist von seiner Familie erwischt worden …
Autsch, sagte Mel.
Tja.
Worauf seine Mutter am nächsten Abend bei ihm vor der Tür stand, allein. Er wusste, was es geschlagen hatte, sobald er ihr aufmachte: sie war blass und schmallippig und hielt die Hände vor dem Körper gefaltet.
Er konnte nicht so recht damit herausrücken, was seine Mutter zu ihm gesagt hatte. Er spürte Mels Augen, groß und dunkel, bereit, alles zu glauben, was er sagte – ja, es mitzuempfinden, ganz egal was es war -, und ihr etwas zu verschweigen schien ihm nicht in Ordnung. Verlogen. Aber er wusste auch nicht, wie er es in Worte fassen sollte.
Es war ziemlich übel, sagte er.
Hat sie die Bullen gerufen?, fragte Mel.
Jedenfalls damit gedroht.
Was im Grunde schon eine Lüge war, auch wenn seine Mutter ihm gesagt hatte, sie hätte daran gedacht. Was sie gesagt hatte, war: Bradley, ich habe alles versucht, um aus dir einen Sohn zu machen, auf den ich stolz sein kann. Aber jetzt sehe ich, dass du wie dein Vater bist, und von Männern wie ihm habe ich ein für allemal genug.
Brad hatte sie angeschrien, aber er konnte förmlich sehen, wie ihr Gesicht zuklappte, und daran merkte er, dass es ihr ernst war: Genau diesen Blick hatte sie bekommen, sobald Brad an sie hinzureden begann, dass sie seinen Vater verlassen sollte, den Mann, der sie zehn Jahre lang verprügelt hatte, den Mann, wegen dem sie zweimal mit gebrochenen Armen im Krankenhaus gelandet war.
Seine Mutter, noch immer ausdruckslos, sagte: Lebwohl. Er wartete darauf, dass sie in Tränen ausbrach, dass sie nachgab. Er wollte sich dazu bringen, sich zu entschuldigen, zu weinen, zu betteln. Aber seine Mutter drehte sich einfach um und ging.
Diesen Teil erzählte er Mel: wie er noch in derselben Nacht beschlossen hatte, endgültig die Biege zu machen. Gleich am nächsten Morgen haute er ab nach Chicago, wo er bei einem Typen unterkam, den er noch aus der Schule kannte. Er bekam einen Job in einer Diskothek, sozusagen als Haus-Roadie, und da stellte ihn ein Mädchen, das er kannte, eines Abends bei einer Party einem Freund von ihr vor, der mit Pot dealte und manchmal auch mit Methadon, und dieser Typ und Brad fingen an, sich mit Geschichten über verrückte Deals zu übertrumpfen, und am Ende des Abends nahm der Typ Brad beiseite und sagte, er hätte vielleicht was für ihn zu tun, und Brad sagte, jederzeit, und schon eine Woche später verhökerte er Shit -
Im Ernst? Mel beugte sich vor, mit theatralisch durchtriebenem Blick: Hast du vielleicht welches bei dir?
Er sah auf seine Hände hinab und sagte: Ach, Mel, schön wär’s.
Und mit brennenden Wangen gestand er ihr, dass er zurzeit noch auf Bewährung war. Weil Brad nämlich – weil Brad eingebuchtet worden war, wegen Drogenbesitz, und sein Bewährungshelfer musste ihn einmal im Monat auf Drogen testen, und
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