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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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Schimmer, warum. Sie hat mir Freitagabend gesagt, dass es aus ist. Ich hab mich dumm und dämlich gesucht nach ihr.
    Oder vielleicht sollte er ihnen sagen, dass er Schluss gemacht hat. Ihr einen Grund zum Abhauen liefern. Vielleicht sollte er alle daran erinnern, dass Mel auch früher schon zu solchen Sachen fähig war.
    Er stellt sich vor, wie er irgendwann später ein anderes Mädchen anspricht. Eins von diesen albernen Glitzermädchen in den Clubs. Wie er mit ihr tanzt. Sich ihre Lebensgeschichte anhört. Mit ihr ins Bett geht.
    Sie flüstern hört: Warst du schon mal richtig verliebt?
    Einmal, wird er sagen.
    Und dann?
    Sie hat mich verlassen, wird er sagen, und am nächsten Tag wird er dieses Mädchen verlassen, und die nach ihr auch. Er wird seine Telefonnummer ändern und seinen Job kündigen und in eine andere Stadt ziehen. Er wird den Rest seines Lebens alleine bleiben.
     
    Eine Viertelstunde später fährt Brad auf einen Rastplatz – genau das, was er sucht: einsam, mitten in der Pampa. Die Sonne ist untergegangen, aber ein Leuchten ist noch am Horizont. Er stellt den Motor ab und schnallt Mel los. Dann klettert er aus dem Pick-up. Er ist fast allein, bis auf zwei, drei Sattelschlepper, die hundert Meter entfernt parken, zu weit weg, um etwas mitzukriegen. Der Abend ist warm und feucht; die Luft riecht nach welken Blättern und schmelzendem Schnee und dem Michigan-See. In ein paar Tagen wird es sein, als hätte es den Schneesturm nie gegeben.
    Brad sieht ein Telefon, gleich bei den Toiletten, und klopft auf dem Weg dorthin seine Taschen nach Münzen ab. Sein Herz pocht hart, Schritte, die eine lange Treppe hochlaufen.
    Er hat den Hörer schon in der Hand und will wählen, als ein Kombi in den Rastplatz einbiegt und in der Bucht direkt neben dem Pick-up parkt. Brad legt rasch auf und geht durch den tiefen Schnee in den Schatten. Von einem Picknicktisch aus schaut er zu, wie eine Familie – Vater, Mutter und drei kleine Kinder – aus dem Kombi geklettert kommt. Keiner von ihnen scheint Brad zu sehen; keiner von ihnen bemerkt, dass nur Zentimeter von ihnen entfernt ein Pick-up mit einer Leiche steht.
    Er wartet ihre Klogänge ab, den Gang zu den Verkaufsautomaten, lauscht auf ihr fernes, fröhliches Schwatzen. Sie sind wie Aliens. Der Vater treibt seine Schäfchen ins Auto zurück, und Brad rätselt, wie manche Leute es schaffen, ihr Leben derart im Griff zu haben.
    Es treibt ihn, zu dem Mann hinzugehen, ihm die Hand zu geben und alles zu erzählen. Aber er kann es nicht, er kann sich nicht vom Fleck rühren. Und dann fährt der Kombi davon.
    Brad wischt sich die Nase mit dem Jackenärmel. Der Rastplatz ist immer noch leer. Nur vereinzelte Scheinwerferlichter gleiten langsam auf dem Highway vorbei. Er ist so allein, wie er nur hoffen kann.
    Er geht zurück zu dem Telefon. Beim Wählen versucht er, Mels Umriss durch das Beifahrerfenster auszumachen.
    Eine Frauenstimme meldet sich: Notruf, und Brad sagt den Spruch, den er sich zurechtgelegt hat:
    Hier ist jemand an einer Überdosis gestorben.
    Dann geht er weg vom Telefon, zum Pick-up; den Hörer lässt er baumeln, damit sie den Anruf zurückverfolgen können.
    Er öffnet Mels Tür. Sie sackt ihm entgegen; er packt sie gerade noch, stemmt einen Arm unter das Bündel, da, wo er ihre Schulter vermutet. Sie fühlt sich so hart an wie ein Stück Holz. Eigentlich sollte er sie jetzt einfach herunterlassen – sie wie geplant auf den Gehsteig legen und machen, dass er wegkommt. Aber er hat sie nicht richtig untergefasst – sie wird auf dem Boden aufschlagen, er weiß es. Er geht in die Knie und hievt sie in den Wagen zurück, derber, als ihm lieb ist.
    Als er sie wieder auf dem Sitz hat, sieht er, dass eine ihrer Haarsträhnen zwischen den Falten der Decke herausgerutscht ist. Kurz und schwarz, schmutzig und schlaff.
    Ein paar Sekunden starrt er darauf, spürt das Gewicht ihres Körpers an seiner Brust. Dann streicht er mit dem Finger über die Strähne. Ihr Haar fühlt sich an, wie er es kannte – so glatt, dass es kaum zu ertragen ist.
    Er drückt Mels Tür zu, doppelt behutsam.
    Brad hat ein wattiges Gefühl im Mund. Mit raschen Schritten geht er ums Auto herum und setzt sich hinters Steuer. Ein, zwei Augenblicke legt er die Hand auf die Schlüssel im Zündschloss. Vielleicht reicht eine letzte Stunde mit ihr ja.
    Aber er hat keine Stunde. Er hat sie ganz einfach nicht. Es gibt nichts, was er noch tun kann, jetzt nicht mehr. Der Anruf ist eingegangen; der

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