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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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um diese Tageszeit eine ganze Stunde lang frühstücken und Zeitung lesen kann? Nein! Aber sie führten immer soviel Lebensmittel mit, daß sie etwas Kaffee und Weißbrot einem bedürftigen Nachbarn abgeben konnten. Der Bedürftige war meistens ich, so auch heute. François bekam natürlich auch etwas. Doch wird man von Almosen nicht gerade fett, deshalb stöberten wir in der Stadt die bereits offenen Geschäfte nach Eßbaren durch und trafen die nette kleine Norwegerin, der ich einst den Rucksack einzustellen half. Sie muß in dieser Nacht im Freien geschlafen haben, sah nicht mehr so adrett aus, aber wir freuten uns alle über das unerwartete Treffen. Irgendwie wollte sie nicht mit uns ziehen, was wir ihr anboten, so trennten wir uns und trafen uns nie wieder. Doch auch so freute ich mich, eine alte Bekannte getroffen hätte. Die Begegnungen auf dem Camino haben nun mal eine besondere Qualität, eine fast schicksalhafte Bedeutung, die im Alltag kaum vorkommt. Bestenfalls noch in der Jugend, wenn man den anderen noch völlig vorurteilsfrei trifft.
    Ein Gewitter zog auf, und wir entlang des Lot an dem Lager der Afrikaner vorbei, die gerade aus allen möglichen Fuhrwerken krochen und sich verstört die Augen rieben. Sie sahen nicht so aus, als ob man ihretwegen extra die Polizei rufen müßte, nur ein wenig verkatert. Zwei Einheimische versuchten im Fluß zu fischen. Die Fische waren wegen des Gewitters ganz nervös, was die Fischer freute. Der Fluß verlief hier in Schleifen zwischen riesigen Kalkwänden. Dazwischen stopfte man zivilisatorische Errungenschaften wie Straßen und Staudämme. Es gab einiges zu sehen, ich verlief mich gleich, François ging mir dabei verloren. Meine Erkältung hielt noch, ich fühlte mich schon am Morgen schwach wie eine Fliege im Winter. Vielleicht auch wegen der irrsinnigen Hitze und Schwüle, die seit der Frühe herrschte. Dabei hatte ich einige Hundert Höhenmeter hochzusteigen, weil gleich nach Gaillac ein neues Karstplateau anfängt, das nach der nächsten Stadt Causse de Limogne heißt. Einmal da oben angelangt, war es toll, es gab Buchs- und Wacholderbäume, dürres Gras, wilde Blumen, blaue Schmetterlinge ringsherum. Und viele aromatische Gerüche. Bis nach Cahors gab es eigentlich nichts anderes, wenn man die Schluchten, den Himmel mit Goldrand und die todmüden Pilger nicht mitzählte. Trüffeln und ein mit Honig überbackener Ziegenkäse waren die lokalen Leckereien. Die meisten Einöden fingen mit dem Namen Mas an, was so etwas wie Haus oder Wohnstätte heißen sollte: Mas del Pech, Mas de Borriers, Mas de Malat, Mas de Palat. Viele der Bauernhöfe standen leer, und es war nicht schwer sich vorzustellen, warum. Die Siesta verbrachten wir in einem dürren Wäldchen und sahen dabei den Eidechsen und den Pilgern zu. Die Norwegerin war nicht dabei, aber es gab einige neue Gesichter, die mir von nun an noch öfters begegnen sollten. Limogne en Quercy ließen wir links liegen. Wir hatten noch einige Lebensmittel und keine Kraft mehr für eine Dorfbesichtigung übrig. Die Wege waren voller Steine in allen Größen, was neben der unmenschlichen Hitze das Gehen erheblich erschwerte. Sandalen waren hier völlig ungeeignet, und die Wanderschuhe fühlten sich bleiern an. In kürzerster Zeit stampfte man in einer Schweißpfütze. Sie drückten immer noch, und ich beschloß, sie nach der Reise an den Hersteller zurückzuschicken, vielleicht könnte er sie als Reklame gebrauchen. Oder aus den Fehlern lernen, ich hatte inzwischen schon eine ganze Latte beisammen. Und mir dafür ein anderes, hoffentlich besseres Paar schicken. François meinte, er würde in diesem Fall gleich zwei schicken. Es sollte mir ein Trost sein für die Quälerei. Es war an der Zeit, wieder über einen Tag Pause nachzudenken. Entweder in Cahors oder in Moissac. Ich kam ans Ende meiner Kräfte, auch wenn mir François Komplimente machte, er würde es ohne mich gar nicht so weit geschafft haben. Das Dumme war, daß man an manchen Stellen einfach so viel laufen mußte, um für die Nacht ein vernünftiges Dach über dem Kopf zu haben. Entweder gab es gar nichts, oder die Herbergen waren schon belegt. Auch der Führer warnte, daß in den Ferien häufig Touristengruppen unterwegs sind, die ganze Gîtes belegen. Die Pilger hatten hier Sympathien, doch keinen Vortritt.
Cahors, km 1644
    Vielleicht war es die Krankheit, vielleicht die Erschöpfung, aber es blieb mir keine Erinnerung auf Varaire, das laut Führer im Mittelalter

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