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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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es mir nicht, wäre ich aus dem Rennen. Ich reinigte die Stelle, schnitt Hautfetzen ab, sprühte Desinfektion darauf, die ich einst noch in Frankreich von Philippe geschenkt bekam. Es brannte angenehm. Solange es brannte, war es nicht tot – deshalb angenehm. Wie ein Lepra-Kranker, ein Hiob im Aschehaufen, saß ich im Dreck neben dem Weg, hielt den Fuß der bestialisch brennenden Sonne entgegen, damit die UV-Strahlen die Keime töten, und dachte buchstäblich an nichts anderes, als daß ich hier im Staub hocke, den Fuß der Sonne entgegenstrecke, und dies einigermaßen harmonisch und behutsam zu geschehen hat, sonst bekäme ich wieder einen der lästigen Krämpfe entweder in der Hand, was nicht so schlimm wäre, oder im Bein, was ärger wäre, oder am Hals und Schädel, was am unangenehmsten wäre, weil ich dann aufstehen und weitergehen müßte, um ihn loszuwerden, womit diese Heilpause vorzeitig beendet wäre. Die Temperatur betrug achtundvierzig Grad, und es war so hell, daß man ohne Sonnenbrille kaum etwas anderes als nur reizlose, blasse Schatten sehen konnte. Doch was sagt es dem Kiesel? Nichts.
    Vermutlich war es die bisher schwierigste Etappe der ganzen Pilgerschaft, und ich hatte keine Lust, sie noch unnötig in die Länge zu ziehen. Auch machte das anstrengende Hocken im Dreck keinen besonderen Spaß. Bald war ich wieder unterwegs auf dem völlig menschenleeren Weg. Alle Piefkes waren wieder einmal „kurz weg“, und ich hatte die Landschaft nur mit den schießgeilen Jägern und ihren Hunden zu teilen. Wie Ameisen liefen sie durch die flimmernde Glut der leeren Felder und ballerten fröhlich aufgeregt in die Buschinseln hinein, wo immer die Hunde fremdes Leben anzeigten. Ich bewunderte die Hunde. Normalerweise hatten sie mit den Pilgern viel Abwechslung, bellten und knurrten sie an. Manche taten wild und böse, manche harmlos schläfrig. Zumindest hatten sie ein aufmerksames Auge auf die Passanten, was dem faulen Hundedasein doch noch etwas Würze verlieh. Doch diese hier ließen sich auf keiner Weise von ihrer Aufgabe ablenken, würdigten die Pilger keines Blickes, auch wenn sie in nur wenigen Metern Entfernung vorbeilaufen mußten. Für die Jagd wurden sie geboren, die Jagd war ihnen alles. In größter Begeisterung und Anspannung liefen sie wild durcheinander, bellten wie verrückt und zögerten nicht, sich vor die Flinte zu werfen, um auch dem doofsten Schützen die richtige Schußrichtung zu weisen. Das eine oder andere Schrottkorn nahmen sie dabei ruhig in Kauf. Das alles war wie im Kino und absolut irre.
    Wenn mir mein Dasein als Schildkröte gar zu lästig oder zu langweilig wurde, versetzte ich mich in Gedanken an einen besseren Ort, wo es kühler war, und ich in der Regel nur angenehme Dinge zu tun hatte. Gerne saß ich auf einer Bank vor der Alm, trank kühle Milch aus einem großen Bierglas, hörte die Kuhglocken schlagen, die Wiesel pfeifen und die Vögel rufen und sah dabei ins Tal und auf die schneebedeckten Drei- und Viertausender dahinter. Grün, weiß und Blau in reinster Form. Oder ich lag in der Koje auf dem Boot, ließ das Wasser gegen die Bordwand plätschern und las ein gutes altes Buch. Das Gehen über so lange Distanzen ist eine recht trübe und langweilige Sache, die viel Geduld erfordert, und ich entwickelte diese Methode bis zur Perfektion. Hier gab es nur diesen einen Weg, auf den man nicht besonders achten mußte, so marschierte der Körper allein geradeaus, während der Geist woanders spazieren ging. Was nicht so ohne Gefahr sein mag. Einige Tage später traf ich einen Engländer mit einer großen klaffenden Wunde im Gesicht. Er sei gegen ein Straßenschild gerannt, als er gerade die Karte studierte. Bei der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers muß er sehr lange über der Karte geträumt haben, um den mannshohen Pfosten zu übersehen und mit dem Gesicht zu rammen. Ich war ja direkt erschrocken, als ich den Schnitt sah. Er hätte unbedingt genäht oder geklammert werden müssen, aber das geht nur etwa bis zu vier Stunden danach. Nun war es zu spät. Der Mann aber, groß, fleischig und um die Fünfzig, war guter Dinge. Offenbar zu Recht. Als ich ihn ein paar Tage später wiedersah, waren da nur noch ein paar kleine Blutkrusten zu sehen.
    So hätte ich vermutlich endlos weiter gehen können, ein Fremder in einem fremden Körper, bis dieser Körper zusammenbrach. Terradillos war mein Tagesziel für heute, und es war nur eine Frage der Zeit, nicht der Anstrengung, wann

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