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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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umzudrehen und auf die Frau zu warten. Sie kam wie versprochen, sperrte auf, kassierte den geringen Obolus und ging wieder. Ich war allein im Haus, machte alle Fensterläden auf und schlug in einem kleinen, staubigen Zimmer das Lager auf. Nach dem Duschen und Wäschewaschen inspizierte ich die Küche. Verwertbare Lebensmittel gab es hier keine. Ich hatte aber noch Wurst, Käse und Obst vom Einkauf in der Frühe und kochte zu allem Überfluß noch zwei Tütchen Suppe dazu. Es blieben noch ein paar Feigen und Tee zum Frühstück über. Ich war nun satt, warm und sauber und konnte in Vertrauen auf den Herrn in die Zukunft blicken. Der gute Hirt, mein Beschützer. Aber ich mußte beim geschlossenen Fenster ins Bett gehen, weil der Bulldozer noch beim Nacheinbruch weiter lärmte. Dann, es mußten etwa zehn Uhr gewesen sein, kam eine Gruppe fröhlicher Pfadfinder an. Zwei junge Pärchen. Sie duschten, wuschen, kochten und speisten fröhlich bis Mitternacht, und wenn sie sich Mühe gaben, mich nicht aus dem Schlaf zu reißen, so mit nur wenig Wirkung. Auch ihnen, wie dem Bulldozerführer zuvor, war der Herr heute ein guter Wirt, und uns alle ganz zufrieden zu stellen, war an dem Abend nicht so leicht. Das sah ich ein. Aber die Tiere als solche hat er uns untertan, und die zwei Fliegen im Zimmer hatten kein Recht, mich die ganze Nacht zu drangsalieren. Wenn sie nicht gerade auf meinen Hand- und Fußgelenken spazieren gingen, schlugen sie Kapriolen vor dem Fenster und summten im satten Baß ein fröhliches Lied. War ich denn ein Aas? Ich beschloß, in dieser Herberge das Handtuch zu klauen, das ich den Tag zuvor in der letzten vergessen habe. Ohne Handtuch ging es halt nicht. Der nächstbeliebige Pilger, der sein Handtuch in Lausanne liegen ließ, wird meins mitnehmen und so fort, bis das Handtuch auf diese Weise eines fernen Tages Santiago erreichen wird.
Montagnin, km 1007
    Mit etwas Gewissenbissen wegen des „geliehenen“ Handtuchs schlich ich mich um sieben Uhr aus dem Haus, wo alles noch still blieb. Die zwei Pärchen schliefen selig, was verständlich war, denn sie sind spät ins Bett gegangen und haben zuvor mit Wein nicht gegeizt. Ich hoffte, sie weniger gestört zu haben, als sie mich am Abend zuvor. Auch mir kam sieben Uhr etwas zu früh, aber der Österreicher, den ich am ersten Abend hier in Frankreich traf, schwor darauf, daß man das Gros der Tagesleistung vormittags bringen muß, wegen der großen Hitze später am Tag. Und meine heutige Etappe sollte dreißig Kilometer betragen. Für mich, mein kaputtes Bein und meine Restblasen klang es nach großer Anstrengung. Also lief ich bis Mittag über zwanzig Kilometer. Zunächst passierte ich die Ortschaft Seyssel. Der Führer pries den hiesigen, ursprünglich aus Zypern stammenden Weißwein, der Rousette hieß und bereits im 12. Jahrhundert lobende Erwähnung fand. Dazu passend gäbe es dann den Tomme de Savoie als typisch regionalen Käse. Für Besichtigungen hatte ich nicht viel übrig, doch galt das nicht dem Wein und Käse. Vor vielen Jahren mal reiste ich mit dem Auto durch Südfrankreich und tat nichts anderes, als Wein und Käse zu probieren. Es war eine gute Zeit, und ich hatte eine gute Erinnerung daran. Vor mir lag eine bäuerliche Hügellandschaft ohne Bauernstreß und untern im Tal die Rhône, auf die ich neugierig war, weil sie einer der großen, berühmten Ströme Frankreichs ist. Hier am Oberlauf war der Fluß voller Sand- und Kiesbänke. Das grüne Wasser floß dazwischen einmal träge, ein andermal rasend schnell. Wegen der zahlreichen Staustufen standen überall Schilder mit Warnung vor dem Hochwasser. Absolutes Badeverbot. Aus demselben Grund war der Uferweg nur bei Trockenheit begehbar. Teilweise gab es noch große Pfützen und Matsch vom letzten Regen. Überall summten Insekten, Vögel pfiffen schrill durch die Baumkronen. Es war schwül und heiß. Im Freien stach die Sonne mit großer Kraft, und das nächste Gewitter stand hinter den Bergen zum Losschlagen bereit. Der Schweiß lief mir am Körper entlang bis hinunter in die Stiefel, tropfte lustig aus den Hosenbeinen.
    Meinetwegen hätte es so endlos weitergehen können, auf dem weichen, verwinkelten Pfad, durch schöne Auen voller ungewohnter, südländischer Vegetation. Als ein großer Campingplatz kam, der die Rückkehr in die Zivilisation ankündigte, war ich überhaupt nicht froh darüber — trotz aller Strapazen. Dann stand ich plötzlich vor einer urigen bogenförmigen

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