Bis ans Ende der Welt (German Edition)
machte. Es sah fast so aus, als ob sie auf mich g e wartet hätte. Ein schöner Gedanke, wenn einer wartet, aber ich kannte sie nicht. Pep wie Philippe, etwas spröde und eigenwillig, doch auch klug und anregend. Auch hübsch, was Engländerinnen oft nicht sind. Marschieren wußte sie wie Sir Hilary auf dem Weg zum Mount Everest. Niemand ist halt so gut zu Fuß unte r wegs wie die Engländer, das mußte ich immer wieder feststellen. Dank meiner geschwächten Kondition hatte ich etwas Mühe, Schritt zu halten, aber das inte r essante Gespräch lenkte von meinen kleinlichen Beschwerden ab. Architektin von Beruf, arbeitete sie in Frankreich als Denkmalschützerin, stammte jedoch aus Cornwall. England ist für die Franzosen kein gutes Land, davon konnte ich mich selbst überzeugen, doch umgekehrt fühlen sich Engländer in Frankreich wohl. Ob sie dort deshalb hundert Jahre Krieg führten? Oder auch andersherum. Es waren die kontinentalen Normanen, die wegen einer vorenthaltenen Belo h nung 1066 in der Schlacht bei Hastings die englischen Sachsen schlugen und dort die Herrschaft übernahmen. Somit stammten die Engländer eigentlich aus Frankreich und hielten es nur für legitim auch die französische Krone zu bea n spruchen. Es dauerte von 1337 bis 1453, bis diese Frage einigermaßen geklärt werden konnte. Falls überhaupt. Womöglich sind die vielen englischen Rentner, die in den hübsch restaurierten Bauernhäusern der Haute Provence hausen, die neue Vorhut. Und Pep setzte auf ihre Art den Hundertjährigen Krieg fort, indem sie den Franzosen lästige Bauvorschriften aufs Auge druckte. Mein Herz aber gewann sie sofort. Nicht, weil ich in England lebte, Engländer mag und in Frankreich kein denkmalgeschütztes Objekt besitze. Sondern, weil sie persö n lich James Harriot kannte, den berühmten Schriftsteller und Veterinär. Für mich verkörpert er, was ich an den Engländern so sehr schätze: Zähigkeit, Zurückha l tung, Understatement und Humor. Ein netter, bescheidener Nachbar sei er gew e sen, er habe ihren Hund behandelt, erzählte sie. Sein erstes Buch habe er übe r haupt nur geschrieben, weil er mal fünfzig Pfund brauchte, und die Bank sie ihm nicht leihen wollte. Von seinen Büchern sind inzwischen Millionen verkauft worden. Endlich konnte ich wieder mit jemanden reden, der sich nicht wie die tonangebenden Piefkes durch meine Worte gleich auf den Schlips getreten füh l te. Dieser penetrante, bornierte, selbstgerechte Haufen!
In dem wahnsinnigen englischen Tempo erreichten wir schon am frühen Nac h mittag unser Ziel und checkten in einer Klosterherberge ein. Keine Minute zu spät. Die gleich nach uns anmarschierte deutsch-slowenische Frauengruppe wollte vehement auch hinein. Doch mit uns zwei war der Laden komplett. Sie mußten sich etwas anderes suchen, was nicht so schwierig sein sollte, weil der Führer für diesen Ort eine private Luxusherberge mit Schwimmbad anpries. Seltsam nur, daß sie am Morgen vor uns losgingen, wir überholten sie nicht, und sie kamen gleich nach uns an. Wie ging das? Nun, vielleicht haben sie sich vor uns im Wald versteckt. Zufälligerweise gab es auch sonst keine Deutschen in dieser Herberge. Nur Spanier, Italiener, Franzosen und Engländer. Ich überließ Pep ihrem Schicksal und verzog mich ins Bett. Die Erkältung nagte an mir, und in der öden Siesta, wenn draußen die Sonne die Hüte zum Staub brannte und die Luft heiß zittern ließ, war es so ziemlich das Beste, was man tun konnte. Ich schlief bis zum Abend, ohne von den anderen gestört zu werden, ja ich steckte sie irgendwie an, und als ich endlich wunderbar erholt und voller Tatendrang aufwachte, träumten die meisten selig, als ob es gerade Mitternacht wäre. Was mich wiederum zu der Rücksicht verpflichtete, die ich selbst zuvor gerne in A n spruch nahm. Das aber war eine zu harte Geduldsprobe, und ich ging lieber in die Stadt und landete bald im erstbesten Restaurant, in dem ein preisgünstiges Pilgermenü angeboten wurde. Es war ein recht vornehmer Laden, in dem ich mich auf Anhieb wohlfühlte. Leider saßen hier lauter Deutsche, die mich nicht mochten, und in deren Gesellschaft ich mich nicht wohlfühlte. So saß ich allein am weißgedeckten Tisch, aß, trank Wein und langweilte mich. Zur Ablenkung beobachtete ich den stiernackigen Kerl und die blonde Walküre am Nebentisch, die in ein Grundsatzgespräch vertieft waren. Er mutmaßte, daß sie sich bei all den jungen, gutaussehenden Männern hier für ihn genierte,
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