Bis ans Ende der Welt (German Edition)
der Koje auf dem Boot, ließ das Wasser gegen die Bordwand plätschern und las ein gutes altes Buch. Das Gehen über so lange Distanzen ist eine recht trübe und langweilige Sache, die viel Geduld erfordert, und ich entwickelte diese Methode bis zur Perfektion. Hier gab es nur diesen e i nen Weg, auf den man nicht besonders achten mußte, so marschierte der Körper allein geradeaus, während der Geist woanders spazieren ging. Was nicht so ohne Gefahr sein mag. Einige Tage später traf ich einen Engländer mit einer großen klaffenden Wunde im Gesicht. Er sei gegen ein Straßenschild gerannt, als er g e rade die Karte studierte. Bei der geringen Geschwindigkeit eines Fußgängers muß er sehr lange über der Karte geträumt haben, um den mannshohen Pfosten zu übersehen und mit dem Gesicht zu rammen. Ich war ja direkt erschrocken, als ich den Schnitt sah. Er hätte unbedingt genäht oder geklammert werden müssen, aber das geht nur etwa bis zu vier Stunden danach. Nun war es zu spät. Der Mann aber, groß, fleischig und um die Fünfzig, war guter Dinge. Offenbar zu Recht. Als ich ihn ein paar Tage später wiedersah, waren da nur noch ein paar kleine Blutkrusten zu sehen.
So hätte ich vermutlich endlos weiter gehen können, ein Fremder in einem fremden Körper, bis dieser Körper zusammenbrach. Terradillos war mein T a gesziel für heute, und es war nur eine Frage der Zeit, nicht der Anstrengung, wann ich dort ankam. Trotzdem war es eine angenehme Überraschung, schon davor eine fesche, moderne Herberge zu entdecken. Eigentlich hätte es auch e i ne Fata Morgana sein können. Hier einzukehren, bedeutete das Ende der Strap a zen, andererseits gab es hier in der Pampa bestimmt nichts zu kaufen. Eine Ap o theke, eine Drogerie, ein Lebensmitteladen wären mir nämlich sehr willkommen gewesen. Da aber alle Geschäfte, sofern überhaupt vorhanden, meist geschlo s sen waren, mangelte es mir inzwischen an allem. Es herrschte Siesta, wo und wann immer man eine Ortschaft erreichte. Aber es nagten gerade irgendwelche kleine Fliegen an mir, was das übliche Leiden auf die Spitze trieb, und ich en t schloß mich, auf mögliche Einkäufe zu verzichten und hier zu bleiben. Es übe r raschte mich, daß der Laden völlig leer stand. Ich war der Einzige hier, obwohl die meisten Pilger um diese Zeit schon intensiv nach einer Bleibe suchten. W e gen der Nachmittagshitze, doch auch wegen der üblichen Überfüllung. Vie l leicht lag diese Herberge eben mitten in der Pampa und nicht auf der Taxiroute. In der Stadt gab es dann eine andere Herberge – völlig überfüllt. Mir konnte es nur recht sein. Bald saß ich frisch geduscht und umgezogen mit einer eiskalten Cola auf der Terrasse und las im Saint-Exupérys Kriegstagebuch. Ich hätte auch gerne etwas gegessen, aber als ich mich im Speisesaal an einen Tisch setzte, meinte der Kellner, dem es bis dahin zu weit war, ich müsse mich näher an die Theke verpflanzen. Da ich Spanien und seine Sitten inzwischen mehr als satt hatte, ging ich lieber und blieb hungrig. Der gute Mann schien das entgangene Geschäft nicht zu vermissen. Also saß ich auf der Terrasse, las und träumte zum Spaß, als Pilger schwitzend und stöhnend in der Bullenhitze unterwegs zu sein. Ab und zu zog ein richtiger Pilger in Fleisch und Blut am Zaun vorbei, sah zwe i felnd zu der schönen Herberge und mir auf der Terrasse rüber - und setzte dann seinen Weg fort. Echt erstaunlich. So ging es eine ganze Weile, bis der stierna c kige Geschäftsmann, diesmal ohne die Walküre, auftauchte. In seiner schwarzen Hose, dem schwarzen T-Shirt und dem roten Kopf sah er mehr als bedenklich aus. Eigentlich völlig fertig. Vielleicht hätte ihm eine kalte Dusche gutgetan, doch er setzte sich in gebührender Entfernung an einen Tisch und erledigte per Telefon seine Geschäfte zu Hause. Vermutlich wollte er seine Freundin nicht versäumen. Nach geraumer Zeit kam auch die blonde Walküre an. Obwohl die Langsamere, war sie nicht in so schlechtem Zustand wie ihr Freund. Frisch u m gezogen, rosig und entspannt kehrte sie nach einer Weile vom Duschen zurück und setzte sich neben mich. Der Mann unterbrach wortlos seine Geschäfte und ging selbst duschen. Da wir nun die einzigen Gäste waren, und sie eigentlich e i nen netten Eindruck machte, konnte ich mich trotz aller guten Vorsätze, mit den Piefkes nicht anzubandeln, wieder einmal nicht halten und fing ein Gespräch an. Das ging erwartungsgemäß nur kurze Zeit gut. Als ich ihr
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