Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Steinmauern ab, und sein Schwager Wind schlug mit den gelben Fensterländen gegen die Mauer. Sonst passierte rein gar nichts. Ich saß auf einem alten, verworfenen Sargstein, kaute recht lustlos am alten Brot und spülte es mit Wasser unter, denn dies war meine wohlverdie n te Mittagspause. Nach einer Weile kam sehr energisch ein gelbes Postauto a n gefahren, und der Bote befestigte die Post an der Tür der Herberge, als auf sein Läuten keiner zu öffnen kam. Im Kloster hatte er mehr Glück und wurde eing e lassen. Er blieb eine ganze Weile darin, und als er endlich zurückkam und sich zufrieden hinter das Lenkrad schwang, war ihm anzusehen, daß er einen Au f wärmer mit auf den Weg bekam. Etwas, was seinen Magen wärmte und seine Stimmung hob. Einer, der im Regen unter dem Baum sitzt, an altem Brot kaut und es mit Wasser nachspült, merkt das sofort. Aber ich war nicht neidisch.
Zeit verging und Wasser verrann. Nach wie vor riß der Sturm an der Baumkrone und den gelben Fensterläden. Einmal schlug spitz die Stundenuhr im Gang hi n ter der Klosterpforte. Der Herr ging um, und alles verschmolz zu einem allu m fassenden Strom des Seins. Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir. [75] Dann stürmte ein ju n ger Mann den Platz und erkundigte sich nach dem Postboten. Ich teilte ihm den Sachstand mit, aber er schien nicht ganz zufrieden. Normalerweise hinge der Postbote im Kloster bei einem Glas herum, und heute habe er ihm einen dri n genden Brief mitzugeben. Es klang irgendwie vorwurfsvoll, und ich entschuldi g te mich für seine Unbill. Hätte ich es auch nur geahnt, ich hätte den Postb o ten mit Händen und Füßen festgehalten. Er nahm die Entschuldigung ernst an, besah mich prüfend und fragte, ob ich vorhätte, in der Herberge zu übernachten. Er könnte für mich bei dem Herbergsvater ein gutes Wort einlegen. Endlich r e dete der Mann Vernünftiges. Es goß in Strömen, ich konnte nicht weiter und hä t te vor der leeren Herberge wie ein dummer Junge noch Stunden warten mü s sen. Natürlich wollte ich hinein. Das wußte ich um so mehr schätzen, als innen ein herrliches Kaminfeuer brannte, vor dem ich mich trocknen und richtig au f wärmen und zwanglos mit dem englischen Verwalter und seinen Hiwis plaudern konnte. Und ich lobte die Engländer über alle Maße. Wer sonst als sie käme auf den Gedanken, mit dem Haus auch den Kamin zu restaurieren. Nicht einmal d u schen wollte ich gehen, so gemütlich war es hier.
Aber am Ende, als immer mehr nasse Pilger ankamen, ihre Schuhe und schmu t zigen Sachen an den Kamin hängten, den bis dahin ruhigen, gemütlichen Raum mit tausend Problemen und Nichtigkeiten füllten, verging der Zauber, und das inzwischen überfüllte Haus wurde zu einer gewöhnlichen spanischen Herberge, einer mühsamen Schlafstelle unter vielen, die ich unterwegs besuchte. Eing e denk der reuigen Gedanken vom Morgen, wollte ich darüber hinwegsehen, wenn die deutsche Besatzung unter der Gitarrenbegleitung eines recht verwegen au s sehenden Spaniers völlig falsch internationale Gassenhauer grölte. Mochten sie doch, wie sie es immer betonten, jeder nach seiner Façon denn glücklich we r den. Ich verzog mich in die Küche und fing dort ein Gespräch mit einem symp a thischen Jungen aus einer Vorstadtsiedlung bei Orleans an. Es gab dort damals gerade einen Aufstand junger Araber, die durch die Straßen zogen, Autos a n zündeten, Geschäfte plünderten und dergleichen mehr. Seine Erfahrung war s o zusagen die eines Augenzeugen. Er meinte, er habe Verständnis für die teilweise sehr gut ausgebildeten arabischen Jugendlichen in den Banlieues, denen die böse französische Gesellschaft keine Chance läßt. Und wenn sie sein Auto anzünden würden, fragte ich. Er habe kein Auto. Dann vielleicht etwas anderes, was er gerne habe, beharrte ich auf meiner Frage. Er hatte keine solchen Vorlieben. So fragte ich ihn, was oder wen er denn überhaupt gerne habe, und wenn, ob er es ohne mit der Wimper zu zucken dem vom Leben enttäuschten Pöbel überlassen würde. Hier aber brach er ab. Er möchte über solche Dinge nicht reden, das sei seine Sache und für eine Diskussion zu persönlich. Es half auch nichts, das G e spräch auf die für Fremde völlig überhöhten Preise in der Schweiz lenken zu wollen. Das Thema lag mir ja aus den schon erwähnten Gründen sehr am He r zen. Wo sonst in meinem Leben mußte ich mangels Kasse auf dem Friedhof
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