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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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kleines eisernes Kreuz, das auf einem dicken Stab in einem Steinhaufen steckt und sich so ziemlich genau auf dem Kamm des Löwengebirges in etwa sechszehnhundert Meter Höhe befindet. Laut Tradition sollte jeder Pilger von zu Hause einen Stein als Symbol seines größten Kummers mitnehmen und ihn hier auf diesem Stei n haufen zurücklassen. Mit dem Kummer, versteht sich. Deswegen ist der Haufen auch so groß und mächtig, weil jeder von uns ein solches Kreuz durchs Leben tragen muß. Auch die nicht ganz so religiösen RTL-Jünger. Nur daß sie mangels mitgebrachter Steine anderes hinterlassen. Ich fand Schuhe, Socken, Zigarette n schachtel, ja sogar zahlreiche Unterhosen und Büstenhalter an den Mast bef e stigt. Das gefiel mir freilich nicht besonders. Auch wirkte der Ort im dichten Nebel ein wenig makaber. Und ich war auf so etwas gar nicht vorbereitet, hatte keinen Kummerstein und nichts Überflüssiges, was ich hier hätte zurücklassen können. Von meiner Unterhose gar zu schweigen. Also setzte ich mich auf einen nassen Balken und dachte nach, während der Herr geduldig wartete und alle St ö renfriede zurückhielt. Schließlich stand ich auf, ging ein kleines Stück auf dem Weg zurück, hob einen kleinen, doch recht sympathischen und energiereichen Kiesel auf und trug ihn zum Haufen. Während ich ihn noch in der Hand hielt, versuchte ich an das zu denken, was mich denn beugte und grämte, aber es wol l te sich nichts konkretisieren. Nur ein nebelhafter, verworrener Gedankenknäuel kam zustande, den ich nicht zu deuten wußte und ihn dann mit dem Kiesel auf den Haufen warf. Mehr konnte ich nicht tun, und ich wußte eigentlich auch nicht, warum ich so etwas tat. Daher sah ich hilfesuchend zum Herrn herüber, der jedoch, offenbar zufrieden, daß ich endlich mit meiner Aufgabe fertig war, ohne Erklärung die zurückgehaltenen Pilger herbei rief. So blieb mir nichts a n deres übrig, als weiterzugehen und alles zu vergessen. Noch einmal drehte ich mich nach dem Kreuz um, doch es war im Nebel kaum noch sichtbar. Lustige kleine Figuren hüpften auf dem Steinhaufen herum und versuchten unter Kam e rablitzen Dinge an den Mast zu binden. Aber der Herr blieb nicht stehen, und ich hatte mich zu beeilen, um ihn wieder einzuholen. So kamen wir rasch nach Manjarín , einem verlassenen Dorf, wo sich zu dieser Zeit eine Art religiöser Hausbesetzer einnistete, Seltsames trieb und kitschige Andenken verhökerte. Dazu hingen und standen allerhand Schilder, Flaggen und Spruchbänder herum, welche die Pilger anlocken sollten. Der Herr schickte dann alle hin zu schauen, was es zu sehen gab, und wir konnten in Ruhe und Anstand an dieser Vers u chung vorbeiziehen.
    Der Paß war überwunden, vor mir lag Bierzo , ein großes tektonisches Becken, etwa fünfhundert Meter über dem Meeresspiegel, rundherum von bis zu zwe i tausend Meter hohen Bergen umgeben, mit seiner eigener Art und Sprache. I n zwischen hörte der Regen auf, unten im Tal sollte es an diesem Tag sogar noch warm und sonnig werden. Die Wetterprobe war überstanden, und ich erinnerte mich wieder daran, daß der Herr einem nie mehr auflegt, als man tatsächlich tragen kann. Nun, nachdem der Camino die kleine Asphaltstraße verlassen hatte, ging es auf schmalen, von trockenen Grashalmen, Disteln gesäumten Pfaden talwärts, mit erhabenen Sichten auf Himmel und Erde, mit keinem anderem Laut rundum, als nur der Stimme der Natur. Solche Wege wünschte ich mir aus vo l lem Herzen. Rundherum kein Mensch zu sehen. Nur die blonde Walküre, die kein Brot brauchte, da die Restaurants ungleich praktischer seien, holte ich auf dem schmalen Grad oberhalb von El Azebo ein. Ihr stiernackige Freund war i n des nicht zu sehen. Obwohl sie kein schweres Gepäck trug, hinkte sie erbär m lich. Es war, wie in solchen Fällen üblich, das Knie. Sie konnte es nicht mehr beugen und schob bei jedem Schritt, sich schwer auf den Pilgerstab stützend, das kranke Bein jeweils nur ein paar Zentimeter voran, daß es mir fast schon selbst wehtat. Ich hätte natürlich auch ein paar schnippische Bemerkungen über den wahren Geist des Camino, die Nähe zum Herrn durch das Leiden oder die Vo r teile des einfachen Lebens aus dem Rucksack machen können. Statt dessen bot ich ihr Hilfe an, wie auch immer benötigt, hoffte allerdings, sie doch nicht tr a gen zu müssen. Schließlich war sie ja eine stämmige deutsche Jungfer, die man nicht etwa wie die Sabinerinnen so einfach vom Platz bringt. Es schien sie zu

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